Im Frühjahr und Sommer hat Reiner Pfisterer „Die Rückkehr der Musik“ fotografiert. Die Bilder von Konzerten mit enormem Sicherheitsabstand wirken jetzt im Lockdown auf ganz neue Art seltsam.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - „Gespielt wird immer“ lautete die Überschrift Anfang Oktober, als wir über Reiner Pfisterers Fotoprojekt „Die Rückkehr der Musik“ berichteten. Der Ludwigsburger Fotograf hat sich im Frühjahr auf die Suche gemacht nach kleinen Konzerten, Chorproben und allen anderen Ausdrucksformen live gespielter Musik. Da regte sich nach dem Lockdown ziemlich schnell etwas. Im Sommer hatte man sich dann schon wieder an die vielen Konzerte und auch an den Sicherheitsabstand gewöhnt. Im Herbst wurde schon wieder in Innenräumen musiziert. Ja, und dann kam der Lockdown.

 

Gespielt wird immer? Derzeit eigentlich nicht.

In Kooperation mit dem Popbüro hat Pfisterer im Sommer ein erstes Postkartenset veröffentlicht. Es gibt einen Instagram-Kanal und jetzt ist ganz neu der zweite Satz Postkarten mit ausgewählten Motiven erschienen: Die 15 Bilder entstanden zwischen August und 1. November, also dem letzten Tag vor dem Teil-Lockdown, der mittlerweile verschärft wurde. Vom „SOS am Neckar“-Open-Air in Nürtingen weg löst Bild für Bild der Herbst den ohnehin schon seltsamen Konzertsommer ab.

Jetzt, wo es Winter ist und Veranstaltungen aller Art verboten sind, wirken die Bilder auf eine ganz neue Art seltsam. Bei den ersten Fotos von Pfisterer verstörte der enorme Abstand, den die Besucher voneinander halten. Mittlerweile wundert man sich schon fast darüber, wie überhaupt Menschen zusammenkommen können, um anderen beim Musizieren zuzuhören.

Plexiglasscheiben zwischen Besuchern

Wer sich raustraut und noch irgendwo reinkommt, könnte die Postkarten im hellblauen Umschlag irgendwo entdecken. Beim Betrachten der Karten hofft man darauf, dass bei der erneuten „Rückkehr der Musik“ Dinge wie die Plexiglasscheiben zwischen den Besuchern verschwinden – Reiner Pfisterer hat sie bei der Spielzeiteröffnung der Württembergischen Philharmonie Reutlingen abgelichtet. Die Autokonzerte am Cannstatter Wasen möchte man gern als Besonderheit der Livemusikgeschichte abtun und im kommenden Winter darf bei Konzerten gern die Tür zubleiben – anders als beim eiskalten Festivalabschluss „Die Kunst des Rückzugs“ in den Wagenhallen, was Pfisterer ebenfalls eingefangen hat.

Im besten Fall integriert die Popmusik jenen längst zum Gesetz erhobenen 1,5-Meter-Abstand in die ihr eigenen Ausdrucksformen. Wie das geht, hält Pfisterer am besten auf seinem Bild von der Albumpräsentation des Stuttgarter Soundtrack-Duos Mondo Sangue fest: Ein Mann im silberglänzenden Raumanzug und riesiger Maske sitzt allein an der Bar, alle anderen Menschen sind weit weg.

Schön wäre nur, wenn man die Freiheit hätte, es auch anders zu machen.