Nun wurde offiziell bekanntgegeben, dass François Hollande sich von seiner langjährigen Lebensgefährtin Valerie Trierweiler getrennt hat. Ob es eine neue Première Dame im Élysée-Palast geben wird, ist noch unklar.

Paris - Einen Präsidenten haben die Franzosen noch. François Hollande ist noch da, so unbeliebt er im Volk auch ist. Seine Aufgaben, seine an die Machtvollkommenheit eines Monarchen erinnernden Befugnisse, stehen außer Frage. Insoweit herrscht Klarheit. Aber wer wird die nächste First Lady? Nachdem der Präsident am Wochenende bekanntgegeben hat, dass er sich von seiner langjährigen Lebensgefährtin, der Journalistin Valerie Trierweiler, getrennt hat, könnte es sein, dass schon bald die Schauspielerin Julie Gayet in den Élysée-Palast einzieht und dort ein Büro und Assistenten zugeteilt bekommt. Oder sollte der Hausherr am Ende gar niemanden als Première Dame ausrufen, weil die Grande Nation eine solche Frau gar nicht mehr braucht?

 

Staunend verfolgen die Franzosen, dass der Staatschef die Machtfülle eines Sonnenkönigs genießt, der einst nach Belieben Mätressen in den Palast holte oder daraus wieder verstieß. Und es stimmt ja: Das heute im kollektiven Unterbewusstsein haftende Bild der Première Dame rührt aus Zeiten, da Ludwig XIV. in Versailles das Sagen hatte. Zur Ungewissheit, welche Frau dem Präsidenten künftig zur Seite steht, haben sich deshalb auch Zweifel gesellt, ob das in der Verfassung nirgends erwähnte „Amt“ einer Première Dame überhaupt noch zeitgemäß ist. Der Essayist Luc Le Vaillant plädiert dafür, es auf dem Müllhaufen der Geschichte zu entsorgen. Das den Élysée-Palast bewohnende Paar setze sich in Szene wie König und Königin, findet Le Vaillant. Der Mann sei der Chef, die Frau folge ihm wie ein Schatten, was immer er sage und tue. Der Mann gebe den Kriegsherren, die Frau ergehe sich in Tränen rührenden sozialen Tätigkeiten. „Schluss damit, lasst uns den Staatschef künftig als Junggesellen konzipieren, ignorieren wir die Person an seiner Seite“, fordert Le Vaillant.

Die Philosophin und Psychoanalytikerin Cynthia Fleury sieht das ähnlich. Bei der großen Pressekonferenz des Präsidenten am vergangenen Dienstag wähnte sie sich ins 17. Jahrhundert zurückkatapultiert. „Ist Madame Trierweiler noch Frankreichs Première Dame?“, wollte jemand von Hollande wissen. In Fleurys Ohren klang das, als sei der Sonnenkönig nach seinen Mätressen gefragt worden: „Sire, hat Madame de Montespan noch Ihre Liebe, darf sie im Hauptflügel des Schlosses von Versailles bleiben oder ist dieser nun für Madame de Maintenon zu räumen?“

Trierweiler twitterte sich auf die falsche Seite

Die jetzt in die Wüste geschickte Valerie Trierweiler selbst hatte die Vorarbeit zu dieser massiv aufkommenden Kritik geleistet. Zu Zeiten, da Hollandes Liaison mit Gayet noch ein Gerücht war, rüttelte sie bereits kräftig am überkommenen Rollenbild. Sie wolle nicht nur eine Blumenvase im Palast sein, sagte die gleichermaßen elegante wie eigenwillige ehemalige Politikjournalistin. Als sie dann freilich tatsächlich ins politische Geschehen eingriff, gab es Scherben. Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2012 war es passiert. Trierweiler schlug sich twitternd auf die falsche Seite. Dem Rivalen der vom Präsidenten auf den Schild gehobenen Kandidatin Ségolène Royal sprach sie in einem Tweet Mut zu, einem gewissen Olivier Falorni. Böse Zungen wollen wissen, dass damals nicht nur politische Überzeugung, sondern auch Eifersucht auf Royal im Spiel gewesen sei, mit der Hollande vier Kinder hat. Jedenfalls ging eine Menge zu Bruch. Die Genossen, aber auch der Staatschef zeigten sich entsetzt. Angeblich soll Trierweilers unbotmäßiges Verhalten der Anfang vom sich jetzt anbahnenden Ende der Beziehung zu Hollande gewesen sein.

Vergeblich haben Juristen versucht, die Rolle der Première Dame zeitgemäß zu interpretieren und in der Verfassung festzuschreiben. Schon die Aufgabe, der Gleichberechtigung der Geschlechter Rechnung tragend ein Statut zu entwerfen, das auch einem „Premier Monsieur“ gerecht wird, erwies sich als zu schwierig. Zumal die Herausforderung ja nicht nur rechtstheoretischer Natur ist, sondern jederzeit der politische Ernstfall eintreten kann. 2007 schien es bereits so, als sollte erstmals ein Mann als dekorative Beigabe in den Élysée-Palast einziehen. Hollande schien für die avantgardistische Rolle auserkoren, damals noch Lebensgefährte der laut Umfragen lange Zeit aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal. Der Sozialist wird dem Himmel gedankt haben, dass ihm ein Wahlsieg der damaligen Lebensgefährtin erspart geblieben ist. Anders als Joachim Sauer, der politisch kaum in Erscheinung tretende Gatte der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, hat Hollande keinen politikfernen Beruf, in den er sich hätte zurückziehen können. Sauer ist ein international angesehener Quantenchemiker. Hollande ist seit 1979 Politiker.

Autoren sehen Parallelen zu Ludwig XIV.

Für Christophe Deloire und Christophe Dubois, Autoren des Bestsellers „Sexus Politicus“, haben die Mythen der Monarchie die Französische Revolution überdauert und leben in der modernen Republik fort. Um Beispiele sind die zwei nicht verlegen. An Staatspräsidenten, die wie einst Ludwig XIV. und Ludwig XV. zwischen sexuellem Vergnügen und Staatsangelegenheiten nicht groß unterscheiden, fehlt es nicht. Am unverfrorensten ist wohl François Mitterrand zu Werke gegangen. Der als politischer Ziehvater Hollandes gehandelte Sozialist hat sich des Staatsapparats, ja des Geheimdienstes bedient, um ein amouröses Doppelleben und die Existenz einer unehelichen Tochter zu verschleiern. „Die Spitzenpolitiker der V. Republik sehen in Frauen noch heute Attribute der Macht“, lautet das Fazit des Duo Deloire/Dubois.

Das heißt allerdings nicht, dass die Moderne das aus Zeiten der Monarchie rührende Bild der Première Dame nicht beeinflusst hätte. Wenn sich Juristen schwertun, ihren Status zu definieren, dann auch deshalb, weil sich alte und neue Rollenbilder überlagern und klare Konturen kaum zu erkennen sind. Was ins Positive gewendet freilich auch bedeutet: Die Première Dame von heute hat Freiräume. Sie kann, weit mehr etwa als die First Lady in den USA, eigene Akzente setzen. Bernadette Chirac, Carla Bruni und zuletzt eben Valérie  Trierweiler haben ihren Part an der Staatsspitze denn auch recht unterschiedlich interpretiert. Duldsam und diskret versah die Gattin des sexuell ausschweifenden Lebemannes Chirac ihr Tagewerk, engagierte sich nebenher erfolgreich in der Regionalpolitik des ländlichen Departements Corrèze. Die Nachfolgerin Carla Bruni, Ex-Model und Chansonsängerin, verlieh dem „Amt“ Glamour. Wie einst auf dem Laufsteg genoss sie die Blicke des Publikums, das Blitzlichtgewitter der Fotografen. Wenn sie mit Nicolas Sarkozy durch die Welt reiste, war meist sie es, die das Interesse der Journalisten auf sich zog. Dass sie auf der Suche nach Sinnvollem auch noch eine Aids-Stiftung ins Leben rief, interessierte weniger.

Fleury: „Trierweiler hat ihr Mandat erfüllt“

Valerie Trierweiler schließlich hielt sich zuletzt wie Bernadette Chirac im Hintergrund. Aber anders als jene litt sie darunter, dass sie sich zurücknehmen sollte. In ihrem offenkundigen Scheitern hat sie indes mehr bewirkt als ihre anpassungsfähigeren Vorgängerinnen. Die Philosophin und Psychoanalytikerin Fleury bescheinigt ihr, das Bild der Première Dame „derart entstaubt zu haben, dass sie selbst darüber verschwunden ist“. Und sie fügt anerkennend hinzu: „Trierweiler hat ihr Mandat erfüllt.“

  Für die Ex-Freundin des Präsidenten ist das freilich nur ein kleiner Trost. Nach Bekanntwerden von Hollandes Liebesaffäre war sie tagelang wegen eines Schwächeanfalls im Krankenhaus. Derzeit erholt sie sich noch in einer Präsidentenresidenz in der Nähe des Schlosses von Versailles.