Handgemacht statt Haute Cuisine: Die Deutschen entdecken ihre Vorliebe für einfache, französische Spezialitäten. In Stuttgart gibt es inzwischen mehrere Feinkosthändler, die sich auf Produkte aus dem direkten Nachbarland spezialisiert haben. Ein Besuch bei drei Geschäften.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Sie sind klein, bunt und – ganz wichtig – französisch! Macarons heißt das beliebte Mandelgebäck mit cremiger Füllung. Ganz ursprünglich stammt der Name „Macaron“ von dem italienischen Wort „ammaccare“ ab, was „zerdrücken“ bedeutet. Berühmt geworden sind die Macarons in Frankreich. Von dort aus bereitete sich der Siegeszug des neuen Trendgebäcks aus. Überhaupt Frankreich. Längst schließt unser Nachbarland beim Essen in der Popularität zu Italien auf. Während die Deutschen Pizza und Pasta längst fast als eigenes Nationalgericht verstehen, waren französische Spezialitäten hierzulande lange etwas Besonderes. Jetzt holen die Franzosen auf und zwar nicht mit Haute Cuisine, sondern mit handgemachten Kleinigkeiten. Croissants und Baguettes sollen schmecken wie in Paris, der Senf wie in Dijon.

 

Konfitüre und Senf nach Originalrezept

Die neue Leidenschaft für Frankreich paart sich mit dem Anspruch des modernen Großstädters nach regionalen Produkte, gerne bio und gerne handgemacht. Alex und Alejandro Bonilla Cardona haben diesen Trend erkannt, ein schlichtes Einmachglas hat sie auf die Idee gebracht. „Die übliche Industrieware, selbst im Biobereich, wird nicht mit Liebe hergestellt“, sagt Alex Bonilla Cardona.

Das wollte er gemeinsam mit seinem Lebenspartner Alejandro ändern. Seit Januar 2014 betreiben sie ihre Manufaktur „Monsieur Renard’s Garden“, in Stuttgart als der „kleine Fuchs“ bekannt. Konfitüre, Senf, Tomatenmark oder Gelees stellen die beiden nach französischen Rezepten selbst her. Berühmt seien sie mit ihren Quiches geworden, sagt Alex Bonilla Cardona. „Das ist unser Produkt. Da kommen wir mit der Produktion kaum nach.“

Der gebürtige Stuttgarter und sein Partner Alejandro, der für seinen Master in Agrarwissenschaften von Kolumbien in die baden-württembergische Landeshauptstadt zog, haben ihre eigenen Rezepte, ihren eigenen Stil – nur keine französischen Wurzeln. Gelernt haben sie dafür im Elsass. Und zwar bei keiner Geringeren als Christine Ferber. Die mehrfach ausgezeichnete Konditorin, Chocolatière und Gelierköchin wird weltweit zu den besten ihres Faches gezählt. „Wir haben sie einfach mal ganz frech angeschrieben“, erzählt Alex Bonilla Cardona. Irgendwann rief Ferbers Schwester an und teilte knapp mit, die beiden Herren würden gleich am nächsten Sonntag um 11 Uhr in der Küche der Konditorin erwartet.

Inspiration aus französischen Zeitschriften

Seitdem ist der kleine Fuchs konstant gewachsen. Seit einem Jahr betreiben die beiden Männer im Herdweg 36 eine Kaffeebar, natürlich in französischem Still und mit dem gleichen Namen, Monsieur Renard’s Garden. Auch dort haben Alex und Alejandro Bonilla Cardona es sich zur Aufgabe gemacht, die Köstlichkeiten aus der Natur in die Stadt zu bringen. Über diesen Gedanken sind die beiden auf ihren Namen gekommen. „Der Fuchs ist ein Tier, welches auf dem Land und in der Stadt überleben kann“, sagt Alex Bonilla Cardona.

Französische Spezialitäten nach Deutschland importieren, gepaart mit selbst gemachten Kreationen nach eigenen Rezepten, das hat die Stuttgarterin Cornelia Hebener schon gemacht bevor es Bio- oder Regio-Hypes gab. Sie hat mit ihrem Mann im Jahr 2002 in der Olgastraße 136 das „Épicerie fine“ eröffnet, ursprünglich eine Weinhandlung. „Dann hat es sich von selbst entwickelt“, erzählt die Chefin. Schnell hat sich ein Kreis von Stammgästen gebildet, die stets nach Essen fragten. Zu gutem Wein gehört schließlich gutes Essen. Irgendwann haben die Hebeners einen Mittagstisch eingeführt – und seitdem brummt der Laden. Längst verbindet das Ehepaar mit Zweitwohnsitz in den Vogesen im Heusteigviertel schwäbische Gemütlichkeit mit französischem Bistrocharme. Wer nicht im Laden essen kann, der kann das Essen eingeweckt mitnehmen.

Inspiration holt sich Cornelia Hebener jedes Wochenende direkt in Frankreich oder in französischen Zeitschriften. „Mit denen habe ich auch Kochen gelernt“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Inzwischen macht sie alles, außer „Convenience food“. Vorgefertigte Lebensmittel kommen bei ihr nicht auf den Tisch. „Da wäre ja der ganze Reiz unserer Küche weg“, sagt sie entrüstet. Teig, Nudeln – alles sei selbst produziert, auch wenn dies häufig 14-Stunden-Tage mit sich bringe, sagt Hebener. „Ich habe wahnsinnig viel Idealismus – ohne geht das nicht.“

Käse aus dem Elsass

Als sie mit ihrem Feinkostladen begonnen habe, sei sie auf weiter Flur die einzige gewesen, welche in der Landeshauptstadt französische Spezialitäten jenseits von Supermarkt-Ware angeboten hatte. „Italiener waren damals der Trend“, bestätigt sie. Des deutschen liebstes Ausland war seit jeher Italien. Hebener kann das nicht ganz nachvollziehen. Sie liebt Frankreich. „Und es ist ja auch nur 100 Kilometer weit weg.“ Die Verwurzelung der frankophilen Lebensart in Stuttgart – das geht auf sie zurück. Längst hätte sie ihren Laden vergrößern können. Das will sie aber in ihrem Alter nicht mehr. Und: „Wenn wir woanders hingehen, dann sind wir auch anders“, befürchtet sie. „Die Leute kommen, weil sie genau den Laden mögen.“

Für die Ausbreitung sorgen andere, wie Monsieur Renard’s Garden eben. Oder Chez Ginette in der Kornbergstraße 50. Vor kurzem hat dort die 27-jährige Katharina Eberle ein französisches Delikatessengeschäft eröffnet. Ihre halbe Familie stammt aus Frankreich, der eigene Laden war ihr Traum. Seit November verkauft sie nun täglich Käse aus dem Elsass, Kekse aus der Bretagne sowie Wein, Pasteten und Marmelade. Katharina Eberle produziert nicht selbst, achtet aber bei ihren Lieferanten darauf, dass es Familienbetriebe oder kleine Unternehmen sind. Neben den Feinkost-Produkten verkauft sie selbst Gebackenes wie Quiches, Flammkuchen und Croissants. Der Renner: die Macarons.