Der „Frauentausch“, Deutschlands älteste Dokusoap, wird zehn Jahre alt. Dass die Sendung die Kandidaten gnadenlos vorführt, hat sogar ein Gericht bestätigt.

Stuttgart - Die Staubschicht auf dem Laminat ist so dick, dass man mit dem Finger S-A-U hineinschreiben könnte.

 

RTL II ruft seine Zuschauerinnen regelmäßig dazu auf. Sind die noch ganz sauber? Gibt es tatsächlich Frauen, die keine anderen Sorgen haben, als bei Hempels unterm Sofa nachzuwischen? Nein, es ist kein Scherz. Feudeln und Fernsehen, das passt so gut zusammen wie Nitro und Glyzerin. Es ist die Formel für Deutschlands älteste Dokusoap: „Frauentausch“.

Nun wird das Format zehn Jahre alt. Gemessen an der Halbwertzeit von Formaten im Privatfernsehen ist das eine halbe Ewigkeit. Und von Abnutzung keine Spur. Die Quoten steigen sogar noch an, während sie überall anders im Help TV bröckeln. Besonders bei den 14- bis 49-Jährigen kommt das Format besser an denn je. Rund 1,4 Millionen schalten jeden Donnerstagabend ein, um zu erleben, wie Frauen auf Knopfdruck die Fassung verlieren, wenn sie fremde Kühlschränke öffnen und ihnen als erstes die Reste von der Weihnachtsgans entgegenspringen: „Das ist nicht Assi, das ist nicht schlampig, das ist Drecksau extrem!“

Der Eklat ist programmiert

„Frauentausch“, das ist ein Experiment. Für zehn Tage tauschen zwei Kandidatinnen Mann, Heim und Herd. Es liegt in der Natur des Privatfernsehens, dass es Frauen aufeinanderprallen lässt, die so gegensätzlich sind, dass der Eklat programmiert ist. Sauberfrau contra Putzteufelin. Vettel contra Vamp. Karrierefrau contra Kindernärrin.

Seit zehn Jahren schon leistet RTL II mit diesem Rotationsprinzip einen Beitrag zur Hygiene in Buden, die, gäbe es sie nicht wirklich, vom Fernsehen telegen vermüllt werden müssten, für einen „Einsatz in Vier Wänden“ oder eine Vorher-Nachher-Show mit dem Schuldenberater Peter Zwegat.

Knebelverträge und Psychoterror

RTL II reinigt eben nicht nur sauber, sondern rein. Das Fernsehen, dein Mentor, dein Meister Propper. So sieht sich der Sender selber. Das Format gibt den Protagonisten die Möglichkeit, einen Blick in andere Lebenswelten zu werfen, neue Erfahrungen zu sammeln und Toleranz gegenüber anderen Lebensweisen zu entwickeln“, heißt es in der RTL II-Pressestelle. Das Berliner Landgericht konnte diese Selbsteinschätzung nicht teilen. Im Sommer 2012 gab es der Klage einer Teilnehmerin statt und stoppte die weitere Ausstrahlung einer Folge. Die fünffache Mutter hatte dem Sender vorgeworfen, er habe sie darin als „geistig verwirrt“ und „überfordert“ dargestellt und „gezielt lächerlich gemacht.“ Diesen Vorwurf musste sich der Sender schon einige Male gefallen lassen. Zwei betroffene Väter wandten sich mit ihrer Geschichte sogar ans Fernsehen. Von Knebelverträgen und Psychoterror am Set war in einem Beitrag des Medienmagazins „Zapp!“ (NDR) die Rede. Und davon, dass die Redakteure die Teilnehmer an 16-Stunden-Drehtagen so lange mit Regie-Anweisungen so weit in die Enge trieben, dass viele am Ende vor Wut ausrasteten oder weinten. Dramatische Szenen, von denen der Zuschauer nichts ahnt. Der Schnitt suggeriert, dass Streit in der Familie schuld an den Gefühlsausbrüchen sei.

Verheerende Folgen

Die Folgen sind mitunter verheerend. So berichtet es ein Vater. Randalierer vor dem Haus. Ein Vermieter, den er davon überzeugen musste, dass das Chaos in seiner Wohnung auf das Konto des Kamerateams gegangen sei. Der Mann hat Strafanzeige gegen die Produktionsfirma erstattet, die Constantin Entertainment. RTL II hat die Folge ausgestrahlt, obwohl er die Dreharbeiten nach zwei Tagen auf Anraten eines Arztes abgebrochen hatte. Diagnose: Nervenzusammenbruch. Doch Anzeigen konnte der Sender bis dahin jedes mal mit dem Hinweis abschmettern, die Kandidaten hätten gewusst, worauf sie sich einlassen. Niemand habe sie gezwungen.

Im Fall der fünffachen Mutter aus Berlin kamen die Constantin und RTL II nicht mit sauberer Weste davon. Die Richter teilten die Einschätzung der Frau, der Vertrag erwecke den Eindruck, „die Sendung habe vorrangig einen Dokumentationscharakter“. Daraus ergäben sich Grenzen für die nachträgliche Bearbeitung des Materials.

Die Redakteure hätten merken müssen, dass die Tauschmutter intellektuell schnell überfordert gewesen sei. Sie hätten sie noch einmal extra darüber aufklären müssen, dass das Fernsehen die Wirklichkeit nicht abbilde, sondern inszeniere.