Keine Zuschauer, ein Sportzentrum, das einem Flughafen gleicht, Fieberkontrollen – die Liste an Vorschriften für das Frauen-Tennisturnier in Stuttgart ist lang. Trotzdem sind alle froh, endlich wieder spielen zu können.

Digital Desk: Lena Hummel (len)

Stuttgart-Stammheim - Als Laura Siegemund und Alexandra Vecic den Platz betreten, ist ganz schön was los auf der Anlage des Württembergischen Tennis-Bunds (WTB) in Stuttgart-Stammheim – zumindest für eine Zeit, in der Corona den Alltag regiert. Vom Nebenplatz aus richtet ein halbes Dutzend Fotografen seine Kameras auf die beiden Spitzenspielerinnen, am Rande der Anlage warten Trainer, WTB-Mitarbeiter und -Funktionäre sowie Medienvertreter gespannt auf den Beginn des Matches.

 

Siegemund und Vecic spielen sich indes vor den Augen aller Beobachter warm, während Stuhlschiedsrichter Nico Helwerth so gar nicht feierlich die Begegnung der Weltranglisten-65. und der Australian-Junior-Open-Halbfinalistin ankündigt. Pompöse Einlaufmusik, Lichtershows, und goldener Konfettiregen für die am 26. Juli feststehende Turniersiegerin, wie vom Stuttgarter Porsche Tennis Grand Prix gewohnt, gibt es bei der ebenfalls vom schwäbischen Autobauer präsentierten Frauen-Turnierserie nicht.

Es geht nicht um großes Tamtam

Wer es nicht besser weiß, könnte meinen, bei dem offiziellen Wettkampf handelte es sich um ein gewöhnliches Training: Der grüne Sichtschutz am Zaun des Platzes ist nur zur Hälfte heruntergelassen; wer das Match sitzend anschauen möchte, muss sich selbst einen Stuhl besorgen; der Spielstand auf der Anzeigetafel, die manuell bedient werden muss, ist nicht immer aktuell. Um großes Tamtam geht es bei der vom Deutschen Tennis Bund (DTB) ausgerichteten Turnierserie aber auch nicht.

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„Ich finde es total wertvoll, endlich mal wieder ein Turnier spielen zu können“, sagt Siegemund nach ihrem ersten Sieg am Dienstag. Die Bedingungen seien zwar nicht optimal, „aber lieber so als gar nicht“. Noch dazu, ziehe einen „die Trainiererei“ schon irgendwann runter, wenn es keine Wettkampfperspektive gebe. Während es für die Stuttgarterin in erster Linie darum geht, herauszufinden, wo sie im Vergleich zu ihren Mitstreiterinnen steht, und sich auf die Wiederaufnahme der WTA-Tour vorzubereiten, ist das DTB-Turnier für andere auch wichtig, „um den Verdienstausfall zu kompensieren“, sagt WTB-Vizepräsident und Verbandssportwart Rolf Schmid, der die Turnierdirektion innehat. Denn die Siegerin der Finalrunde bekommt ein Preisgeld von 8000 Euro, und schon vorher sind pro Woche maximal 4000 Euro zu verdienen.

Maximal 30 Personen auf der Anlage

Schmid gehört zu den wenigen Zuschauern, die im Nieselregen auf der Anlage in Stuttgart-Stammheim sitzen und die Matches verfolgen. Nur 30 Personen dürfen sich dort zeitgleich aufhalten, mehr als zehn sind es selten. Was er davon hält, dass der Öffentlichkeit das Turnier verwehrt bleibt? „Da wohnen zwei Seelen in meiner Brust“, sagt er. Einerseits sei er froh, endlich wieder ein Turnier veranstalten und den Spielerinnen die Möglichkeit geben zu können, Turnierpraxis zu sammeln und Geld zu verdienen. Andererseits würde er gerne Zuschauer dabei haben. Denn „wenn jemand wie Laura Siegemund spielt, könnten das locker 1000 Personen sein“. Und die sind für die Performance der 32-Jährigen wichtig: An solchen grauen Tagen wie heute, wäre es schon schön, wenn draußen ein paar Leute sitzen würden und sagen, super gemacht.“ Das müsse man jetzt eben selbst machen.

„Out“, sagt Siegemund und zeigt mit ihrem Schläger auf den Abdruck im Sand. Schiedsrichter Helwerth eilt herbei, um die Aussage zu prüfen. Auf der Profi-Tour übernehmen Linienrichter diese Aufgabe, doch auch auf diese hat man wegen Corona verzichtet. Die Liste an Vorschriften, deren Einhaltung die Austragung des Turniers überhaupt möglich macht, ist lang. „Ich war schon leicht überrascht, was da alles gefordert ist“, sagt Schmid zum Hygienekonzept des DTB und des Kultusministeriums.

Sportstätte gleicht einem Flughafenterminal

Und so kommt es, dass der Innenbereich der Anlage mit den roten und gelben Pfeilen auf dem Boden und den provisorisch aufgestellten Absperrungen mehr einem Flughafenterminal gleicht als einer Sportstätte. Bei den Spielerinnen wird Fieber gemessen, eigene Balldosen sind Pflicht, ebenso wie Wasserflaschen, die nach dem Öffnen mit dem Namen versehen werden müssen. Die Cafeteria bleibt geschlossen, ebenso wie die Gemeinschaftsduschen. Für Siegemund bedeutet das, dass auch sie ein Zimmer zur Verfügung gesellt bekommt – nur um dort das Badezimmer zu nutzen. Zum Schlafen fährt die Stuttgarterin schließlich nach Hause.

„Wir halten uns auch alle daran, weil wir nicht wollen, dass das Turnier abgebrochen wird, weil irgendjemand seine Maske nicht aufsetzt oder Laufwege nicht einhält“, sagt Siegemund. Gut also, dass Helwerth sie nach dem gewonnen Match gerade noch von einem gravierenden Fehler abhalten konnte: „Ich war so fokussiert, da hätte ich fast vergessen, dass kein Handshake erlaubt ist.“