Nach Tumulten in Freibädern kam erneut die Diskussion um die Herkunft der Unruhestifter auf. Die Bäderbetriebe betonen, dass dies nichts mit den Problemen zu tun habe.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Nach den Tumulten im Untertürkheimer Inselbad vor gut zwei Wochen ist eine Diskussion neu aufgekommen, die bereits im Sommer 2016 geführt worden war. Die Ankündigung der Stuttgarter Bäderbetriebe, fortan Sicherheitsdienste in den Freibädern einzusetzen, wurde von manchen damit verknüpft, dass zunehmend asylsuchende Männer sexuelle Übergriffe begehen würden. „Das ist nicht der Grund“, stellt der Sprecher der Bäderbetriebe, Jens Böhme, klar. Die Zahlen der Stuttgarter Polizei belegen, dass Taten dieser Art nur einen geringen Anteil am Geschehen ausmachen. Landesweit betrachtet sieht die Statistik des Innenministeriums etwas anders aus.

 

„Dass wir nun wieder Security in die Bäder holen, hat nichts mit Ausländern oder Flüchtlingen zu tun“, betont Böhm. Es gehe um eine zunehmende Gewaltbereitschaft und aktuelle Zwischenfälle – vor allem im Inselbad. „Das betrifft alle, ganz unabhängig von ihrer Herkunft“, fügt er hinzu. Im Inselbad hatten sich vor zwei Wochen drei Jugendliche den Anweisungen des Bademeisters widersetzt, nicht auf der Liegewiese Fußball zu spielen. Zu Tumulten kam es, weil sich bis zu 50 Badegäste im proppevollen Bad mit den Störenfrieden solidarisiert hatten.

Nur wenige Fälle in Stuttgart registriert

Die Stuttgarter Polizei hat auf Anfrage unserer Zeitung ausgewertet, wie es in den zurückliegenden Jahren gewesen ist: Haben Flüchtlinge überproportional viele Übergriffe begangen? Im vergangenen Jahr waren sie an fünf von 20 Sexualstraftaten in Schwimmbädern beteiligt. die Statistik unterscheidet nicht zwischen Frei- und Hallenbädern, erläutert ein Sprecher der Polizei. Im Jahr davor war ein Geflüchteter angezeigt worden, der eine Frau im Bad belästigt hatte, auch da waren es insgesamt 20 Taten. 2016 verzeichnete die Polizei Stuttgart bei 16 gemeldeten Übergriffen in Schwimmbädern acht mit Beteiligung Asylsuchender.

Auch im Jahr der ersten Einführung war die Begründung der Stuttgarter Bäderbetriebe nicht die Angst vor Taten neu ins Land gekommener Menschen. Die Asylsuchenden spielten eine Rolle, aber anders, als manche vermuteten: Da viele Geflüchtete nicht schwimmen konnten, bestand für sie in den Freibädern Gefahr. Die Aufmerksamkeit der Schwimmmeister und Rettungsschwimmer im Bad sei mehr denn je für die Sicherheit in den Schwimmbecken gefragt gewesen. Sie hätten sich nicht auch noch gleichzeitig um „Exhibitionisten auf der Liegewiese, Spanner im FKK-Bereich und Fußballspieler auf der Liegewiese“ kümmern können, so Böhm. Dort sollten die Sicherheitskräfte für Ruhe sorgen. 2017 und 2018 wurde jedoch wieder auf die Security verzichtet.

Für das ganze Land Baden-Württemberg hat das Innenministerium auf Anfrage unserer Zeitung die registrierten und aufgeklärten Fälle sexueller Belästigungen untersucht. Im Gegensatz zur Auswertung der Stuttgarter Polizei unterscheidet das Zahlenwerk des Ministeriums zwischen Fällen aus Hallen- und Freibädern. Zwölf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung waren es im Jahr 2017 in Freibädern im Land. Davon entfiel eine auf einen afghanischen Tatverdächtigen und damit vermutlich auf einen als Flüchtling ins Land gekommenen Mann. Der Rest der mutmaßlichen Täter sind vier Deutsche, je ein Serbe, Türke, Pole, Litauer, Franzose und Albaner. 2018 sah es anders aus: Bei 16 Taten wurden acht verzeichnet, die von Verdächtigen begangen wurden, deren Nationalität auf einen Asylsuchenden hinweist: Es waren vier Syrer darunter, zwei Afghanen, ein Iraker und ein Pakistani. Damit entfallen acht Taten auf Geflüchtete. Die Auswerter des Innenministeriums (IM) merken an, dass ein Vergleich mit den Jahren davor nicht sinnvoll wäre: 2016 wurde das Gesetz geändert.

Was man im Ministerium auch feststellte bei der Auswertung: „Auch wenn die Fallzahlen bei Abertausenden Freibadgästen an einem schönen Sommertag gering sind, ist jede Tat eine zu viel. Auch müssen wir beim Blick auf die Lage feststellen, dass unter den Tatverdächtigen überproportional viele nichtdeutsche Täter sind“, sagt der Ministeriumssprecher Andreas Mair am Tinkhof. Insgesamt sei man in Baden-Württemberg bemüht, die Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – darunter ist ein Delikt die sexuelle Belästigung – einzudämmen. Nach mehreren Jahren des Anstiegs sei 2018 landesweit ein Rückgang zu verzeichnen gewesen. Auch in diesem Jahr sei die Lage noch besser geworden: Im ersten halben Jahr habe man erneut einen Rückgang feststellen können, sagt Mair am Tinkhof. Dort, wo es notwendig sei, werde die Polizei auch in Freibädern „geeignete Maßnahmen treffen“, um Besucherinnen und Besucher vor Übergriffen zu schützen.