Seit kurzer Zeit ist die Freitreppe am Kleinen Schlossplatz in Stuttgart zu bestimmten Zeiten gesperrt. Einige finden das gar nicht gut – und melden am Freitagabend spontan eine Demonstration an. Wie verlief der Abend?

Stuttgart - Seit von der Treppe am Kleinen Schlossplatz Gewalt und Schmähungen von jungen Menschen gegen die Polizei vor zwei Wochen ausging, hat dieser kleine Platz im öffentlichen Raum eine besondere Bedeutung. Manche sehen ihn auch als Kampfzone, um dort für ihre politische Überzeugung einzutreten. So waren am Freitagabend gleich zwei Demonstrationen an diesem Platz und in der Nähe angekündigt. Nummer eins, vom Ordnungsamt genehmigt, trug den Titel „Sinnvolle Pandemiebekämpfung jetzt – Wirtschaftslockdown statt Freizeitlockdown“. Schauplatz sollte der Schlossplatz auf Höhe Café Künstlerbund sein.

 

Nummer zwei kündigte sich inoffiziell mit dem Motto „Schluss mit Symbolpolitik und Überwachung – Für solidarische Pandemiebekämpfung!“ an. Diese Kundgebung von der Organisation „Solidarität und Klassenkampf“ sowie der Initiative „0711 United Against Racism“ hatte kein amtliches Plazet und sollte just an der symbolträchtigen Freitreppe stattfinden.

Hannes Rockenbauch war dabei

Also dort, wo auch am Freitagabend die Menschen im wörtlichen Sinne das stufenweise Glück bei herrlichem Sommerwetter suchten, ehe gegen 20.30 Uhr wieder Schicht im Schacht war und die Freitreppe a lá Christo mit Zäunen und weißem Banner umhüllt wurde. Die Polizei war also gewarnt und darauf vorbereitet, dass sie nicht nur die Glücksritter der Kunstmuseumsstufen zum Ortswechsel bewegen muss, sondern auch die nicht legitimierten Demonstranten.

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Genau das passierte auch gegen 18.30 Uhr, als das linke Bündnis seine Lautsprecher und Tische am Plateau neben dem Kunstmuseum aufbauen wollten. Die Beamten verwies die Gruppe an den Platz vor Karls Brauhaus, musste dann aber zusehen, wie die Aktivisten nach kurzer Beratung wieder zurück vors Kunstmuseum zogen. Mit dabei Stadtrat und Fraktionsvorsitzender der „Fraktion Linke, SÖS, Piraten und Tierschutzpartei“ Hannes Rockenbauch. Auch er pilgerte mit dem Aktivisten-Tross zurück zur Freitreppe und baute sich vor den Spalier stehenden Polizei-Beamten auf.

Auf einmal Partystimmung

Aber wie so oft zuvor, zuckte keiner der Polizisten mit der Wimper. Mehr noch: Der Einsatzleiter, laut Polizeisprecher Stefan Keilbach „ein ganz erfahrener Mann“, zog in dieser Lage alle Register einer Deeskalationsstrategie. Er stimmte kurzerhand einer Demo-Neuanmeldung zu, die als Protestgrund die Vertreibung von der Freitreppe angab. Was vorderhand ungewöhnlich wirkte, erwies sich als die richtige Maßnahme. Die aufgeheizte Stimmung kippte – und zwar zur Partystimmung.

Die Livemusik von dem Rapper S. Castro aus dem Ruhrgebiet verwandelte die Kundgebung zu einem Open-Air-Konzert. Natürlich hatten seine Lieder politischen Inhalt. Ebenso wie die Reden, bei denen immer wieder der Polizei der schwarze Peter zugeschoben wurde. „Hier wird eine Gefahrenlage herfantasiert, darauf haben wir keinen Bock mehr. Das ist unser Freiraum. Wir fordern die Cops auf, uns in Ruhe zu lassen“, meinte ein Redner unter den Ovationen der Treppenbesucher und ergänzte: „Wir wollen uns nicht mehr aus der Stadt vertreiben lassen.“

Zahl der Demonstranten überschaubar

Genau das machten die Beamten auch nicht. Sie ließen den Rap-Musiker und die Redner fast bis halb neun gewähren. Am Ende bilanziert Polizeisprecher Keilbach einen gelungen Einsatz, bei dem die Strategie aufgegangen sei: „Wir haben gesagt, wenn alles friedlich und im Rahmen bleibt, dürft ihre eure Kundgebung abhalten.“ Zudem sei die Zahl der Demonstranten überschaubar gewesen. Keilbach macht jedoch keinen Hehl daraus, dass die Absperrung kein Dauerzustand sein könne. Als kurzfristige Maßnahme sei die Sperrung der Freitreppe vertretbar, aber irgendwann müsse die Treppe wieder ein Ort werden, an dem sich friedliche Menschen aufhalten könnten.

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Die Öffnung muss aus Sicht von Stadtrat Hannes Rockenbach eher heute als morgen geschehen. In einem Antrag hat das die Gemeinderatsfraktion „Fraktion, Linke, SÖS, Piraten und Tierschutz“ so auch festgehalten. Darin macht sie deutlich, dass man die Ordnungspolitik der Stadt für Humbug hält. Man fordert daher, die Sperrung der Freitreppe am Kunstmuseum an Wochenenden und vor Feiertagen aufzuheben. Mehr noch: Auch die bestehenden alkoholfreien Zonen in der Stadt sollen verschwinden.

Als einen Grund nennt das politische Bündnis, dass die Sperrung der Freitreppe mit Bauzäunen „ein falsches, fatales und auch peinliches Signal“ sei, das von der Stadt ausgehe: „Stuttgart macht sich bundesweit lächerlich mit der nächtlichen Absperrung der Freitreppe durch Bauzäune mit gleichzeitigem massiven Polizeieinsatz.“ Die Absperrung der Freitreppe mit Bauzäunen sei auch insofern widersinnig, da die Jugendlichen sich weiterhin davor und dahinter oder nebenan im Königsbau aufhalten könnten. Es verlagere sich damit die Szene lediglich.