Wer immer noch glaubt, dass junge Menschen Egoisten ohne Sinn für Solidarität wären, sollte einmal mit Leuten sprechen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr machen, meint Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - In Sonntagsreden ist oft vom Kitt die Rede, der die Gesellschaft zusammenhält. Gemeint ist das Engagement der vielen Ehrenamtlichen, die Dienste für die Allgemeinheit verrichten, ohne dafür bezahlt zu werden. In eine ähnliche Kategorie fallen die vielen jungen Menschen, die nach dem Schulabschluss freiwillig in sozialen Einrichtungen oder bei der Bundeswehr arbeiten. Auch sie opfern, ehe sie dereinst ins reguläre Arbeitsleben einsteigen, ihre Zeit, um dem Staat – und damit uns, den Bürgerinnen und Bürgern – zu dienen.

 

Es gab nicht wenige, die nach der Abschaffung der Wehrpflicht und dem damit auch beschlossenen Ende des Zivildienstes einen Bruch in der Gesellschaft befürchteten. Wie sollten die schwierigen sozialen Aufgaben ohne die Zivis gemeistert werden? Und wie die Bundeswehr eine schlagkräftige Truppe bleiben, wenn der Fluss an Rekruten versiegt?

Die Älteren profitieren von den Jugendlichen

Diesen Fragen lag eine Vermutung zugrunde, die sich zum Glück als grundverkehrt erwiesen hat. Altgediente Funktionäre argwöhnten damals, dass die Jugend von heute vorzugsweise aus Egoisten bestünde, die ihr eigenes Wohl im Blick haben, aber kein Verständnis für Solidarität. Erst vor wenigen Monaten hat sich aus dieser Annahme eine erneute Debatte über die Wiedereinführung eines Pflichtdienstes entsponnen.

Die Zahlen – und vor allem die Menschen, die hinter den Zahlen stehen – sprechen dagegen. Sie engagieren sich in großer Zahl und in hohem Maß freiwillig. Ja, sie verdienen auch ein wenig Geld. Vor allem aber verdienen sie etwas, das sie viel zu selten empfangen: die Wertschätzung von uns Älteren, die wir von ihnen profitieren.