Schrumpft das Engagement für Fridays for Future, wenn die Bewegung bei ihren Zielen Rückschläge erfährt? Nicht unbedingt, sagt eine Wissenschaftlerin aus Stuttgart-Hohenheim. Es komme auf die Persönlichkeit des Einzelnen an.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Hohenheim - Am 20. September 2019 hat die „Fridays for Future“-Bewegung die Massen mobilisiert, Ende November kamen indes viel weniger zur globalen Klimademo. Was macht es mit Aktivisten und Sympathisanten, wenn sich weniger Menschen den Protestaktionen anschließen? Regine Frener, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Medienpsychologie der Uni Hohenheim, versucht, Antworten zu geben.

 

Frau Frener, wie kann man die Gruppe der „Fridays for Future“-Teilnehmer wissenschaftlich beschreiben?

Generelle Aussagen sind kaum möglich, die Gruppe ist sehr groß und sehr heterogen. Es sind sehr viele verschiedene Menschen dabei: Einer demonstriert vielleicht für die grüne Zukunft seiner Kinder, ein anderer möchte seinen Unmut über die Regierung ausdrücken. Es ist deshalb auch eine hohe Anforderung an die Adressaten – also die Politik –, diesen vielen Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht zu werden.

Welche Wirkung haben Rückschläge auf die Teilnehmer?

Unabhängig vom Thema sind Menschen gerne konsistent. Das heißt: Wenn sie für etwas auf die Straße gehen, sich in der Öffentlichkeit für einen Standpunkt starkmachen, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie sich weiterhin in diese Richtung hin orientieren und verhalten. Erfahren die „Fridays for Future“-Teilnehmer Zustimmung für ihre Forderungen oder erleben, dass sie nichts bewirken, dann kommt es ganz auf ihre Selbstwirksamkeit an, wie sie darauf reagieren.

Was versteht man darunter?

Die eigene Selbstwirksamkeit kann verschiedenen Quellen entstammen. Zum einen: Habe ich Erfolgserlebnisse? Die „Fridays for Future“-Bewegung hat diese, es gibt eine große mediale Öffentlichkeit, viele Menschen interessieren sich dafür, was die Jugendlichen wollen. Zum anderen: Gibt es erfolgreiche Modellpersonen? Auch dies kann man mit Ja beantworten, beispielsweise sind ja Greta Thunberg oder Luisa Neubauer (eine der Hauptorganisatoren der deutschen „Fridays for Future“-Bewegung, Anmerkung der Redaktion) sehr bekannt, und mit ihnen können sich viele junge Menschen identifizieren – viel eher als etwa mit dem früheren US-Vizepräsidenten Al Gore, der sich ja auch für Klimaschutz einsetzt. Der dritte Aspekt ist der der sozialen Gruppe – auch dies trifft zu, es gibt einen regen Austausch sowie regelmäßige Treffen der Teilnehmer. Der vierte Punkt ist, seine eigenen Emotionen – wie beispielsweise einen erhöhten Herzschlag oder starke Vorfreude – interpretieren zu können; dabei lernt man ja auch viel über sich selbst und die eigenen Einstellungen.

Und was bedeutet es, viel Selbstwirksamkeit zu haben?

Selbstwirksame Menschen haben meist eine höhere Erfolgserwartung als andere: Sie glauben an das, wofür sie sich einsetzen, und bleiben auch bei Rückschlägen am Ball, auch zu einem späteren Zeitpunkt, wenn es vielleicht nicht mehr ganz so gut läuft.

Das hört sich ja nach einer guten Zukunft für die Bewegung an.

Ja, die „Fridays for Future“-Teilnehmer haben ein Ziel, eine starke Mission, es ist ihnen ein Herzensthema, es gibt kaum Mitläufer, die nicht hinter der Sache stehen. Aufhören ist für viele keine Option, es ist auch denkbar, dass sich eine kleine Gruppe ein bisschen radikalisiert, und auf Rückschläge mit noch mehr Engagement reagiert: Dann sind wir eben lauter, positionieren uns noch stärker, stellen weitere Forderungen auf. Die „Fridays for Future“-Bewegung hat ja einen großen Vorteil: Es geht ihnen um die Zukunft, um Ereignisse, die noch in der Zukunft liegen. 2011 gab es eine ähnliche Bewegung, nach den Störfällen im japanischen Kernkraftwerk Fukushima, allerdings wurde es immer schwieriger, die Motivation zu halten, je länger das Unglück in der Vergangenheit lag. Die Zukunft ist natürlich viel motivierender als die Vergangenheit – sie kann immer weiter verändert werden.