In Wien hat die internationale Syrien-Unterstützergruppe beschlossen, den teilweise kollabierten Waffenstillstand neu zu befestigen. Außerdem soll es wieder humanitäre Konvois geben.

Wien - Gut sechs Stunden saßen die Diplomaten am Dienstag im Barocksaal des Wiener Palais Niederösterreich zusammen. Am Ende einigte sich die Runde der Internationalen Syrien-Unterstützergruppe, den teilweise kollabierten Waffenstillstand wieder zu befestigen sowie humanitäre Konvois für alle 800 000 Eingeschlossene in den 18 Hungerenklaven durchzusetzen.

 

Fortschritte beim Thema Übergangsregierung oder der künftigen Rolle von Diktator Bashar al-Assad jedoch gab es nicht. „Wir sind noch weit entfernt von der Ziellinie“, dämpfte der russische Außenminister Sergej Lawrow die Erwartungen. „Wir müssen den Rückweg finden in einen politischen Prozess“, bekräftigte sein deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier und forderte, man müsse jetzt einsteigen in Verhandlungen für eine Übergangsregierung, „weil mit Assad keine Zukunft in Syrien möglich ist.“ Doch selbst ein neuer Termin für Genf kam nicht zustande.

Dramatische Wende ist unwahrscheinlich

Auch wenn sich Lawrow und sein US-Gegenspieler John Kerry den Vorsitz in Wien teilten, die Schlüsselrolle beim Tauziehen um Syrien spielt Russland, auch wenn der tatsächliche Einfluss Moskaus auf das Regime in Damaskus unklar ist. Entsprechend ambivalent agiert der Kreml. Einerseits bestärkt er die Assad-Truppen, eine vollständige Rückeroberung der zweiten syrischen Metropole Aleppo zu versuchen. Andererseits will Russland die Genfer Gespräche nicht scheitern lassen und keine neuerliche Eskalation des Bürgerkrieges riskieren.

Saudi-Arabien drohte bereits hinter den Kulissen, die Rebellen dann mit besseren Waffen aufzurüsten, also mit Boden-Luft-Raketen gegen die russischen und syrischen Kampfjets. Auch US-Außenminister John Kerry deutete in Wien erneut einen Plan B Washingtons an, ohne zu sagen, was damit konkret gemeint sein könnte. Eine dramatische Wende in der amerikanischen Syrienpolitik jedoch scheint unwahrscheinlich, weil Präsident Barack Obama bisher jedes militärische Eingreifen ausschließt. Mitarbeiter des Weißen Hauses lassen in Gesprächen mit US-Medien inzwischen durchblicken, man sei zufrieden, wenn sich die Gewalt in Syrien eindämmen lasse und man das ganze Dossier an die neue Administration weiterreichen könne. „Kerry hat viel Krach geschlagen wegen der Verletzungen der Feuerpause“, ließ sich ein Berater der syrischen Opposition in der „New York Times“ zitieren. Doch viel anzubieten habe er nicht, was die Situation signifikant ändern könne.

Bombardement statt Hilfslieferungen

Das gilt auch für den provokanten Umgang des Regimes mit internationalen Hilfslieferungen, wie ein Zwischenfall Ende vergangener Woche erneut zeigte. Am letzten Kontrollpunkt vor der Stadtgrenze blockierte das Regime die Durchfahrt eines Großkonvois des Roten Halbmonds nach Daraya, einem seit 2012 umzingelten Vorort von Damaskus. Stattdessen brannte die Armee Felder in der Umgebung nieder und bombardierte die hungernden Menschen aus der Luft. UN-Vermittler Staffan de Mistura kündigte nun an, notfalls werde man vom 1. Juni an die hungernde Bevölkerung auch aus der Luft versorgen.

Die Internationale Syrien-Unterstützergruppe (ISSG) hatte im November 2015 einen 18-monatigen Friedensfahrplan für das Bürgerkriegsland vereinbart. Bis zum August 2016 sollen die Genfer Gespräche in einer nationalen Übergangsführung münden, „eine inklusive Übergangsregierung, die das gegenwärtige Machtarrangement ersetzt“, wie UN-Vermittler de Mistura formulierte. Bis zum Herbst 2017 soll das syrische Volk eine neue Verfassung verabschieden und eine neue Regierung wählen – eine politische Schrittfolge, die vom UN-Sicherheitsrat einstimmig gebilligt wurde.