Friedrich Merz will CDU-Vorsitzender werden. Die letzten Jahre war er sehr erfolgreich in der Wirtschaft aktiv. Diese Tätigkeiten werfen jetzt Fragen auf – auch nach seiner politischen Unabhängigkeit.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - In den westlichen Demokratien ist es nicht mehr ungewöhnlich, dass Männer des großen Geldes an die Schaltstellen der politischen Macht gelangen. Der Unternehmer Silvio Berlusconi brachte es zum Ministerpräsidenten Italiens, der Immobilien-Tycoon Donald Trump ist seit Januar 2017 amerikanischer Präsident. Und in Frankreich ist mit Emmanuel Macron ein ehemaliger Partner der Investmentbank Rothschild & Cie gewähltes Staatsoberhaupt.

 

In Deutschland startet mit Friedrich Merz ein Ex-Fraktionsvorsitzender einen politischen Neustart, der nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag im Sommer 2009 zumindest in die allernächste Nähe des ganz großen Geldes gekommen ist. Jetzt, da er Vorsitzender der CDU und sicherlich noch mehr werden will, muss Merz nicht nur sagen, wohin er mit der Union und Deutschland will. Der 62-Jährige wird auch erklären müssen, was er in den vergangenen Jahren beruflich gemacht hat und wie eng seine Verknüpfung mit deutschen und internationalen Großunternehmen ist.Im Zentrum des Interesses steht dabei seine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender bei Blackrock. Seit dem Frühjahr 2016 ist Merz oberster Aufseher der deutschen Abteilung dieses global aktiven Investmentfonds. Der Name Blackrock dürfte den wenigsten Deutschen ein Begriff sein. Dabei ist das Unternehmen mit rund 6,4 Billionen Dollar Anlagesumme die größte Fondsgesellschaft der Welt. Blackrock verwaltet etwa doppelt so viel Geld, wie alle deutschen Unternehmen zusammen in einem Jahr an Waren und Dienstleistungen produzieren (3,7 Billionen Dollar). Die Gesellschaft hält schon länger beträchtliche Aktienpakete aller 30 deutschen Dax-Unternehmen – etwa an der Deutschen Post, an der Allianz und an Bayer. Sie ist der mit Abstand größte Einzelaktionär an der deutschen Börse.

Blackrock – die größte Fondsgesellschaft der Welt

Das Unternehmen ist nicht nur stiller Anteilseigner. Vielmehr greifen die Blackrock-Manager aktiv in die Führung der Firmen ein, deren Aktien sie halten. In letzter Zeit hat Blackrock seine Beteiligungen an deutschen Immobilienunternehmen deutlich erhöht – zum Beispiel an den Großkonzernen Deutsche Wohnen und Vonovia. Der Wohnungsriese Vonovia besitzt allein in Stuttgart Tausende Wohnungen – und geriet durch drastische Mieterhöhungen aufgrund von Sanierung in Stuttgart in die Schlagzeilen.

Mehr als nur ein Aufsichtsratschef

Schon die schiere Größe macht Blackrock zu einem der wichtigsten globalen Finanzakteure. Kritikern gilt das in New York beheimatete Unternehmen als weltweit größte Schattenbank und heimliche Weltmacht, weil die ökonomische Kraft naturgemäß politischen Einfluss entfaltet. Und Merz hat hier eine bedeutende Position inne. Als er vor rund drei Jahren den Posten antrat, teilte Blackrock mit, dass seine Aufgabe über die reine Aufsichtsfunktion hinausgehe. Er solle eine „weiter gefasste Beraterrolle einnehmen, in der er die Beziehungen mit wesentlichen Kunden, Regulierern und Regulierungsbehörden in Deutschland für Blackrock fördern wird“. Der Jurist Merz, ein Experte für Gesellschaftsrecht, sollte also seine exzellenten Kontakte in die deutsche wie europäische Politik zugunsten von Blackrock einsetzen. Das wird im Zweifel bedeutet haben, für günstige Investitionsbedingungen zu sorgen und störende staatliche Eingriffe möglichst zu verhindern.

Lobbycontrol fordert Aufklärung

Fragen wird auch die Mitgliedschaft von Friedrich Merz im Aufsichtsrat der Bank HSBC Trinkaus & Burghardt aufwerfen. Dieses Geldhaus war – wie viele andere Finanzinstitute – in umstrittene Geschäfte verwickelt, die unter dem Namen Cum-Cum oder Cum-Ex bekannt sind. Dabei geht es um Steuerrückerstattungen aus dubiosen Aktiengeschäften. In Deutschland und mindestens zehn anderen europäischen Ländern sollen sich Betrüger mehr als 50 Milliarden Euro mithilfe solcher Steuervermeidungsstrategien erschlichen haben. Von Merz wird nicht nur die politische Opposition wissen wollen, was er als Wirtschaftsanwalt und Bankaufseher von solchen Geschäften zulasten des deutschen Steuerzahlers wusste und wie er sich dazu verhalten hat.

Merz ist zudem Senior Counsel der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Mayer Brown LLP. Er saß und sitzt in einer Vielzahl von Aufsichtsräten – unter anderem auch dem von Borussia Dortmund. Seit Dezember 2017 ist er zudem Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens Köln/Bonn. Die Organisation Lobbycontrol fordert deshalb von dem CDU-Politiker insgesamt Aufklärung über seine Wirtschaftsaktivitäten. Es müsse sichergestellt werden, „dass Merz seinen bisherigen Arbeitgebern keinen bevorzugten Zugang zur Politik bietet“, sagt Timo Lange von Lobbycontrol. „Ein Ansatz könnte sein, dass Merz sich verpflichtet, den Kontakt zu bisherigen Arbeitgebern zu meiden oder zumindest freiwillig offenzulegen.“ Lange vergisst dabei nicht, darauf hinzuweisen, dass Merz sich nach seiner Auffassung in Sachen Transparenz und beim Umgang mit Interessenkonflikten „in der Vergangenheit nicht gerade vorbildlich verhalten“ habe. So habe Merz als Abgeordneter erfolglos vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Offenlegung von Nebeneinkünften geklagt. Merz wies Kritik an seiner Tätigkeit für Blackrock zurück. Das Unternehmen sei keine „Heuschrecke“, sondern verwalte treuhänderisch die Einlagen von Hunderttausenden privaten Kunden. Er sehe keinerlei Konflikte. „Ich beaufsichtige diese Firma in Deutschland, aber ich führe sie nicht.“ Der Aus- und Wiedereinstieg in die Politik sei doch in Wahrheit ein Plus und viel zu selten in Deutschland.

Merz wehrt sich gegen Vorwürfe

Blackrock ist Merz offensichtlich nicht böse wegen seines geplanten Spurwechsels in die Politik. Jedenfalls dementierte Blackrock-Boss Larry Fink sofort Meldungen, mit der Kandidatur gebe es für Merz keine Zukunft mehr in seiner Firma. „Blackrock und Friedrich Merz pflegen weiterhin eine hervorragende Beziehung“, teilte Fink mit. „Er bleibt Aufsichtsratsvorsitzender von Blackrock in Deutschland. Wenn er nicht Vorsitzender der CDU wird, würden wir es sehr begrüßen, wenn er weiterhin mit Blackrock zusammenarbeitet.“