Das Friedrichsbau-Varieté reist hundert Jahre zurück. In eine Zeit des Aufbruchs – und eine, die eine Pandemie überstanden hatte. „Noir – Nächte der 20er Jahre“ heißt das neue Programm.

Stuttgart - Mit Erich Kästner zu beginnen kann nie falsch sein. Das gilt für diesen Text wie für ein Varietéstück. Die Kölner Diva Kristina Kruttke leitet „Noir“ mit einem Satz von Kästner ein: „Die Zeiten sind schwarz, ich male Dir nichts weiß.“ Schwarz wie die Nacht, so heißt das Programm, und doch widerspricht Kristina Kruttke dem Schriftsteller Kästner: Es gibt viele Farben, und man feiere auf der Bühne des Friedrichsbaus das Bunte, die Vielfalt.

 

In den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts sieht man gerade wieder schwarz. Corona geht nicht weg, die EU ist unter Druck, rechte Parteien sitzen im Parlament, die Zeiten werden prüder und moralinsaurer. Vor 100 Jahren war es nach überstandenem Krieg und überstandener Spanischer Grippe eine Zeit des Aufbruchs, auch in Stuttgart explodierte das Leben.

Mutmacher für schwarze Zeiten

Wer eine der Hauptdarstellerinnen dieser Zeit sehen will, kann übrigens ins Kunstmuseum gehen, dort hängt ein Bild von Otto Dix, das die Schauspielerin und Tänzerin Anita Berber zeigt. Heute würde man sie wohl Aktivistin und Influencerin nennen. Auf der Bühne des Friedrichsbaus steht sie auch, verkörpert von Fanny Di Favola. Sie zeigt eine Burlesque verkehrt. Zunächst trägt sie recht wenig, am Ende hat sie einen Hut auf – und die Hosen an. Wie überhaupt Regisseur Ralph Sun mit Klischees spielt und mit Erwartungen bricht. Jongleur und Clown Edgar Falzar kommt im rosafarbenen Minikleid auf die Bühne. Er hält so ziemlich alles in der Luft, was sich dreht, und gleichzeitig sein Kleid zusammen. Und dabei lacht er ständig. Ein besonderer Mutmacher für schwarze Zeiten.

Sie feiern Depeche Mode, die Vielfalt und die Toleranz

Auch Yordan Pudev und Svetlana Nikolova haben sich eine ganz eigene Nummer ausgedacht. Die Akrobaten aus Bulgarien führen rund um ihren Esstisch eine Ehestreit samt Versöhnung auf. Sie küssen und sie schubsen sich. Und sie springen und kugeln übereinander.

Jonathan Finch und Ben Brown sind im richtigen Leben ein Ehepaar. Als Artisten nennen sie sich Little Finch und schweben durch die Luft. Als ziemlich beste Partner, als ziemlich beste Artisten mit ziemlich nackten Hintern. Sie zelebrieren ihren Auftritt, feiern zu Depeche Mode die Vielfalt und die Toleranz – jeder möge doch nach seiner Façon selig werden.

52 Rückwärtssaltos in einer Minute

Erdgebundener und doch vogelleicht ist Kai Hou. Er hält mit 52 Rückwärtssaltos innerhalb einer Minute den Weltrekord. So viele zeigt er im Friedrichsbau nicht, er springt dort durch kleine und große Metallringe, die meterweit über der Bühne stehen. Da fällt einem ein anderes Zitat von Erich Kästner ein: Wunder erleben nur diejenigen, die an Wunder glauben.

„Noir“ ist bis zum 27. Februar zu sehen. Infos und Tickets über www.friedrichsbau.de.

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