Das Friedrichsbau Varieté eröffnet seine neue Spielstätte mit der Elvis-Revue „Celebrating the King“. Doch mehr als der King überzeugen die Luftakrobatik von Baetrice Kessi und die Kontorsionsnummer des Frauentrios To-Ri-Me.

Stuttgart - Dacia Bridges ist eine großartige Sängerin. Wer die Frau aus dem US-Staat Michigan schon mal alleine mit einem Gitarristen in irgendeiner Kaschemme Leonard Cohens „Halleluja“ voller Hingabe hat zelebrieren hören, vergisst das nie. Dass ihre Kunst in ihrer Wahlheimat Stuttgart kaum jemand kennt, ist eine typische Ungerechtigkeit des Showgeschäfts. Dass bis Anfang Februar ein paar Tausend Leute mehr von Dacia Bridges’ Fähigkeiten wissen werden, ist eine positive Begleiterscheinung der Neueröffnung des Friedrichsbau Varietés.

 

Zwischen Betriebsfeier und Ferienklub

Auch dort sehnt und bangt sie, sie lässt ihre Stimme kunstvoll zerschellen, und dann wieder benutzt sie ihr kraftvolles Organ als Schneidbrenner wider die Beliebigkeit. Aber sie hat es schwer im schwarzen Klotz auf dem Pragsattel. Denn aus den Lautsprechern schallt zu ihrem Livegesang statt Livemusik nur das seltsam weichgespülte Playback von der Festplatte: Karaoke zur Königspreisung.

Wenn ihr männlicher Gegenpart Ray Martin auftritt, bei dem man nie genau weiß, ob er gerade eine Elvis-Parodie abliefern will oder eine Elvis-Hommage, wähnt man sich bei der konservenbegleiteten Sangesdarbietung vollends an einem Ort irgendwo zwischen Betriebsfeier unter Spardiktat und Animation im Ferienklub. Das liegt nicht mal an dem von zahllosen Bierzeltauftritten gestähltenVollprofi mit der zumindest in tieferen Lagen ganz angenehm amerikanisierten Stimme. Das liegt an der Show selbst.

Denn das Friedrichsbau Varieté, das vor knapp zwei Jahren sein Orchester weggespart hat, verzichtet in seiner Rock- ’n’-Roll-Show nicht nur auf Livemusik, sondern auch auf jegliches Bühnenbild. Und das Licht, das auf der großen, leeren Bühne manches ausgleichen könnte, glimmt in den meisten Nummern nur starr von der Decke. Auch auf Verbindungsanker zwischen den Einzelteilen der Nummerevue hat die Regie verzichtet, und aus Elvis’ Leben werden außer ein paar Takten von Songs wie „Trouble“ oder „(You’re the) Devil in Disguise“ nur Wikipedia-Fetzen offeriert. Wenn Dacia Bridges dann sagt, dass man „Celebrating the King“ (Showtitel) aufführe, kapiert man nicht so recht, weshalb die Königsfeier gleich drauf ausgerechnet per Hula-Hoop-Reifen vonstatten gehen soll.

Herausragend: die Luftakrobatik von Baetrice Kessi

Die Reifen wirbelt Valerie Hormes, eine von neun überwiegend wackeren Körperkünstlerinnen und Körperkünstlern, die in der nicht besonders personalintensiven Elvis-Show immer dann auftreten, wenn weder Dacia Bridges noch Ray Martin singen: Tom Birringer rührt im Kullerreifen mit seiner Redlichkeit, Valentino kann schnell jonglieren, und Sebastian Stamms Kraftakrobatik an der Chinese Pole genannten Stange hat man so ähnlich in anderen Shows zwar schon von einem halben Dutzend Artisten synchron aufgeführt bewundern dürfen, dafür legt Stamm einen halsbrecherischen Abgang hin. Herausragend: die Luftakrobatik von Baetrice Kessi. Erst an zwei Tüchern und dann mit einem Reifen erschafft sie poetische Dichte per Körperbeherrschung. Genauso stark: die straffe, vor hart erarbeiteter Leichtigkeit strotzende Kontorsionsnummer des Frauentrios To-Ri-Me. Weshalb sich die kleine Varietékunst aber ausgerechnet an der Feier eines Riesen des großen Rock’n’Roll versucht, bleibt freilich bis zuletzt ein Rätsel. Damit hat man sich verhoben.