Nach einer Winterpause starten die Mitarbeiter der Solidarischen Landwirtschaft in Perouse mit der Ernte – zunächst noch aus dem Gewächshaus. Der Heimerdinger Bio-Landwirt Marcus Arzt freut sich über Regen.

Regional, saisonal, nachhaltig. Unter diesem Motto baut das Gärtner-Team der Solidarischen Landwirtschaft Heckengäu in Perouse mehr als 40 Sorten frisches Gemüse im Jahr an. In ein paar Tagen startet die Solawi in die neue Saison. Im Gewächshaus sind Kopfsalat, Feldsalat, Asia-Salat, Rucola, Ackersalat, Pak Choi – ein Verwandter des Chinakohls - oder Radieschen bereit für die Ernte. Dann dürfen die Solawi-Mitglieder, die einen Ernte-Vertrag abgeschlossen haben, endlich wieder ihren Anteil an köstlichem frischem Gemüse in der Regel jeden Freitag an den Verteilpunkten in Perouse, Leonberg, Renningen und Gerlingen abholen.

 

Kein Lagergemüse in diesem Winter

„Die Freiluftsaison geht jetzt auch wieder los“, sagt Heiner Langer, Mitglied im Vorstand und einer von zwei hauptamtlich Angestellten bei der Solawi. Unter freiem Himmel wachsen bereits die ersten Saisongemüse wie Kohlrabi, Radieschen oder Fenchel. Auch viele Jungpflanzen wie Spinat oder Freiluft-Kopfsalat sind in der Erde. Die können dann ab Mai geerntet werden.

Auf Lagergemüse mussten die Abnehmer in diesem Jahr zwischen Januar und März verzichten. „Wegen unserer knappen Personalsituation haben wir eine Pause eingelegt, da wir das Lagergemüse nicht wuppen konnten“, sagt Langer. Normalerweise wären Möhren, Pastinaken, Rote Beete, Knollensellerie, Petersilienwurzel, Winterrettich, Wirsing oder weißes und rotes Kraut in den Kisten gelandet. Geerntet wird das Wurzelgemüse im Herbst.

Auf der Anbau-Wunschliste steht Spargel

Auf der Wunschliste von Heiner Langer steht der eigene Anbau von Spargel, der ab etwa Mitte April gestochen wird, ganz oben. „An diese Dauerkultur, die 20 Jahre im Boden ist, haben wir uns bislang noch nicht herangewagt, denn weißer Spargel ist sehr anspruchsvoll, was die Bodenverhältnisse und auch das Stechen betrifft, damit muss man sich erst einmal gut auseinandersetzen.“ Etwas realistischer sei der Anbau von pflegeleichterem grünen Spargel.

Die Verantwortung für den Anbau des Gemüses in der Solawi Heckengäu trägt eine Gruppe von Menschen gemeinsam. Sie haben in Perouse einen ehemaligen Hof reaktiviert und 2021 eine Genossenschaft gegründet. Die Anzahl der Ernte-Verträge ist momentan stabil und liegt bei 140. Neue Interessenten sind willkommen, dafür hat die Solawi zuletzt auch kräftig die Werbetrommel gerührt. Bislang gab es nur Anteile in einer Größenordnung von etwa drei Kilogramm Gemüse pro Woche plus zugelieferte Kartoffeln. „Für kleinere Haushalte bieten wir jetzt auch die halbe Ration an“, sagt Heiner Lange. Der 37-Jährige ist überzeugt von dem Konzept der solidarischen Landwirtschaft. „Wenn wir die Klimakatastrophe abwenden wollen, müssen wir noch viel mehr auf Regionalität bauen.“

Die Inflation ist deutlich spürbar

Auf den Feldern von Marcus Arzt sprießen derzeit die ersten Salate: „Zu Ostern können wir den ersten Feldsalat ernten“, berichtet der Bio-Landwirt aus Heimerdingen. Auch in den Gewächshäusern ist es grün: Dort wächst zurzeit etwa der Rucola. Arzt, der seine Ware hauptsächlich über den Handel vertreibt, stößt dort bereits auf rege Nachfrage. Auch an seinem Betrieb ist die Inflation nicht vorbeigegangen. „Wir spüren, dass Menschen ihr Geld eher zusammenhalten.“ Trotzdem würden sich viele freuen, wenn es wieder frisches Gemüse gibt.

Vergangenes Jahr noch plagte die Landwirte ein besonders trockenes Frühjahr, gefolgt von einem heißen Sommer. Über die Witterungsverhältnisse ist Marcus Arzt in diesem Jahr verhältnismäßig „happy“: Über den Regen habe man sich gefreut, und eventuellen Nachtfrost könnte man, etwa bei den Streuobstwiesen, gut mit entsprechenden Abdeckungen schützen.

Dass regionale und saisonale Produkte aus Bio-Anbau auch weiterhin stark im Trend liegen, bestätigt Marcus Arzt. Und denkt noch viel weiter: „Es führt gar kein Weg daran vorbei, dass Menschen bewusster regional und bio einkaufen“, sagt er. Jeder stehe beim Einkaufen in der Verantwortung – Umdenken ist die Devise. „Wir als Betrieb sind sehr zuversichtlich, dass wir das Richtige machen.“ Marcus Arzt, ein Quereinsteiger, der früher in der Umweltbewegung aktiv war und heute außerdem Vorsitzender von Bioland Baden-Württemberg ist, verritt diese politische Stellung konsequent: Dass Bio kein Luxus sein darf, forderte er vergangenen Herbst etwa bei den Öko-Aktionswochen in Ditzingen.

Was ist eine Solawi?

Idee
 In der solidarischen Landwirtschaft Solawi werden Betriebskosten und Ernte zwischen Erzeugern und Abnehmern geteilt. Eine Gruppe von privaten Haushalten trägt, in der Regel verbindlich für ein Jahr, die Kosten der gesamten Lebensmittelerzeugung eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag – meist im Rahmen eines wöchentlichen sogenannten Ernteanteils – erhält. Auf diese Weise entsteht eine nicht-industrielle, marktunabhängige Landwirtschaft mit persönlichem Bezug zwischen Erzeugern und Abnehmern der Ernte.

Initiatoren
 Initiatoren der Solawi Heckengäu sind Anna Eisenhardt aus Rutesheim und Heinrich Langer aus Leonberg. Das Paar hatte von 2016 an vier Jahre lang die Welt bereist und kehrte mit dem Vorsatz zurück, etwas Sinnvolles auf die Beine zu stellen. Die Idee der Solawi ist während der Reise gewachsen, die sie früher als geplant 2020 wegen Corona abbrechen mussten.