Die Chefin des Front National, Marine Le Pen, will ihren Vater kaltstellen und verhindern, dass der Ehrenpräsident der Partei bei den Regionalwahlen im Dezember kandidiert. Immer wieder fällt der Senior mit rechtsextremen Äußerungen auf.

Paris - Gewiss, Marine Le Pen hält Frankreichs traditionelles Familienbild in Ehren. Achtung vor dem Alter rangiert im Tugendkatalog der Chefin des rechtspopulistischen Front National weit oben. Soweit allerdings, dass sie sich von dem greisen Vater Jean-Marie ihr politisches Lebenswerk kaputt machen lässt, geht die Tugendtreue dann doch nicht. Und so hat die 46-jährige FN-Vorsitzende dem 40 Jahre älteren Parteigründer, Ehrenpräsidenten und Herrn Papa am Mittwoch den Stuhl vor die Tür gestellt. „Er legt es darauf an, mir zu schaden“, sagte sie. Nun legt sie es darauf an, ihm zu schaden: Sie werde sich der Kandidatur des Vaters bei den Regionalwahlen im Dezember widersetzen.

 

Ganz Frankreich schaut fasziniert zu: ein Familiendrama bei den Le Pens schlägt jede Soap-Opera im Fernsehen – zumal dieser offene Krach nicht vorauszusehen war. Der alte Herr hat schließlich getan, was er seit 40 Jahren tut. Er hat seine alten rechtsextremen Thesen hervorgekramt, die Gaskammern des Holocaust erneut „zur Nebensache“ erklärt und den mit den deutschen Nazis kollaborierenden Marschall Pétain als „keinen schlechten Franzosen“ gewürdigt. Zahlreiche Strafverfahren hat das dem Unbelehrbaren schon eingetragen und Vorhaltungen der Tochter, die sich mal mehr, mal minder deutlich distanzierte.

Sie verfolgt andere Ziele als der Vater. Er sieht sich als Provokateur, sie als Staatschefin in spe. Er macht sich einen Spaß daraus, das Bürgertum zu verschrecken. Sie umwirbt es, versucht breite Wählerschichten hinter sich zu bringen, ohne die der Einzug in den Elysée- Palast nicht zu schaffen ist.

Solange der Vater seine Provokationen zurückhaltend dosierte, brachte er die von der Tochter betriebene Anbiederung ans Bürgertum nicht wirklich in Gefahr. Eine Zeitlang schienen sich Vater und Tochter sogar zu ergänzen: Er hielt rechtsextreme Stammwähler bei der Stange, sie griff zur politischen Mitte aus. Zuletzt freilich hat der Parteigründer dann des Schlechten zu viel getan, hat immer öfter, immer dicker aufgetragen. Ganz so wütend, wie sie sich gibt, dürfte Marine Le Pen gleichwohl nicht sein. So peinlich das öffentlich ausgetragene Zerwürfnis mit dem Vater sein mag: es ist für sie auch eine hochwillkommene Gelegenheit, vor aller Welt zu demonstrieren: Der Front National von heute hat mit dem rechtsextremen von gestern nichts mehr zu tun. Genau diese Botschaft will die nach der Macht greifende Parteichefin dem Wähler ohnehin vermitteln.