20 Jahre war er Bürgermeister in Leonberg, später Abgeordneter im Landtag und Staatssekretär im Finanzministerium: Wolfgang Rückert feiert an diesem Freitag seinen 80. Geburtstag.

Die berühmt-berüchtigte „Viererbande“ war gnadenlos und unerbittlich, wenn es um die Belange und Interessen Leonbergs ging. Sie riss sich große Ländereien unter den Nagel, sie räumte Banken aus. Sie lenkte das Immobiliengeschehen. Sie hatte ihre Finger in der Kultur und im Sport, in der Bildung, in der Betreuung der Jüngsten und der Senioren. Sie hatte praktisch die gesamte Stadtgesellschaft unterwandert. Und deshalb verdankt die Große Kreisstadt am Engelberg ihrem jahrzehntelangem Wirken, dass sie zu einem prosperierenden Mittelzentrum wurde.

 

Die legendäre Viererbande in der Stadtverwaltung

Ein Mitglied der Bande, der Mann für das Geld, Wolfgang Rückert, feiert an diesem Freitag seinen 80. Geburtstag. In Anlehnung an die „Viererbande“, eine Gruppe von Führungskräften der Kommunistischen Partei Chinas, die vor und kurz nach Mao Zedongs Tod 1976 große Macht ausübte und die entscheidenden Einfluss auf den Verlauf der Kulturrevolution hatte, wurde das damaligen Quartett an der Leonberger Rathausspitze, wegen seiner geballten Durchsetzungskraft, gelegentlich auch mit diesem Namen bedacht.

Oberbürgermeister Dieter Ortlieb, Verwaltungsbürgermeister Heinz Schultheiß, Baubürgermeister Michael Hassler und ich als Finanz- und Sozialbürgermeister passten nicht nur fachlich, sondern auch menschlich gut zusammen“, sagt Wolfgang Rückert im Rückblick.

Im Heimatort die große Liebe gefunden

Mitten im Zweiten Weltkrieg in Berlichingen geboren, ist der Sohn des Schuhmachers Josef Rückert und der Rheinländerin Maria Kaub in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Der aufgeweckte Junge hat im katholischen Berlichingen eine glückliche Kindheit erlebt. Obwohl seine erste Kindheitserinnerung als Dreijähriger der dreitägige Beschuss von Berlichingen durch US-Truppen ist , die wähnten , dass der 800-Seelenort der Sitz der SS-Panzergrenadier-Division „Götz von Berlichingen“ sein müsste.

Nach der Volksschule im Ort, wo er Ministrant war, Geige bei Veranstaltungen spielte, den Fußball trat („Sport war allerdings nicht meine Stärke“), folgte das Progymnasium in Möckmühl. „Danach war mir klar, dass ich meinen Eltern nicht die finanzielle Belastung eines Studiums zumuten konnte und habe mich für eine Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst entschieden“, erzählt Rückert. Stationen waren das Landratsamt Künzelsau und das Rathaus Großbottwar. 1965 bestand er die Staatsprüfung.

Doch der Kontakt zum heimatlichen Berlichingen brach nicht ab. Hier lernte er in der Theatergruppe der katholischen Jugend die Liebe seines Lebens kennen. Am 11. Juni 1966 heiratete Wolfgang Rückert in Berlichingen Herta Rüdenauer. Da war der Verwaltungsfachmann bereits in seiner ersten beruflichen Station tätig – im Landratsamt Leonberg. Seine Gebiete waren hier sozialer Wohnungsbau und Kommunalaufsicht.

Fehlende Akten versetzen Verwaltung in Panik

„Ich war nur wenige Tage im Amt, dessen Leiter auf eine andere Stelle gewechselt war, da hatten wir ein Riesenproblem“, schildert Wolfgang Rückert. Fünf Akten mit Anträgen von Bürgern waren spurlos verschwunden. Die Azubis mussten die Papiersäcke im Heizungskeller entleeren, alle Ablagen wurden durchsucht – ohne Erfolg.

Man war kurz dabei, die Akten neu anzulegen, als der damaligen Bürgermeister von Hausen mit einem Packet auftauchte: „Die gehören wohl Euch.“ Der scheidende Amtsleiter hatte mit schwer leserlicher Klaue „KBA (Kreisbauamt) im Hause“ draufgeschrieben. Was den Amtsboten veranlasste, die Papiere nach Hausen in Niedersachsen zu senden, von wo sie dann nach Hausen an der Würm geschickt wurden.

Auf eine 1970 angebotene Versetzung ins Innenministerium hat Rückert verzichtet. „Der väterliche Rat von Regierungsdirektor Albrecht Rauscher hat mich damals überzeugt, denn er hatte erkannt, dass Gestalten und nicht Verwalten meine Stärke sei“, ist der Jubilar für diese Fügung dankbar. Inzwischen waren auch die Kinder geboren.

Nur einmal an Erwin Teufels Stuhl gesägt

Wo lässt sich besser gestalten, als auf kommunaler Ebene? Und so hat sich Wolfgang Rückert als Stadtpfleger von Spaichingen unter Bürgermeister Erwin Teufel beworben. „Bürgermeister Erwin Teufel erwartet Herrn Rückert an der Information, erklang es aus der Bahnhofansage in Rottweil, er hat mich persönlich erwartet“, erinnert sich der Jubilar. Nach einem ausführlichen Rundgang durch den Ort, habe es am Spätnachmittag geheißen, „Sie sind mein Mann, ich werde den Gemeinderat überzeugen.“

„Es war eine wertvolle Zeit für mich, die mir gutgetan hat – Haushalt, Steuern, Liegenschaften, Stadtwerke waren meine Aufgaben“, schildert Rückert. Erwin Teufel sei ein fordernder und ein fördernder Bürgermeister gewesen. Die Spaichinger habe er als ein schaffiges und lebensfrohes Völkchen kennengelernt.

Da hat sich der mütterlich rheinische Part im Wesen von Wolfgang Rückert wohl gefühlt. Als Prinz „Wolfgang von Berlichingen“ hat er mit Prinzessin „Herta von Hohenlohe“ beim Rathaussturm das einzige Mal am Stuhl seines zweimaligen Chefs Erwin Teufel (im Leben trifft man sich bekanntlich ja zweimal) gesägt und ihn aus dem Rathaus tragen lassen. „In Spaichingen durften damals nur Verheiratete das Prinzenpaar sein, damit es anständig zugeht“, schmunzelt Herta Rückert.

Wie das Landratsamt zum Neuen Rathaus wurde

1972 ist Wolfgang Rückert dann dem Ruf nach Leonberg gefolgt, wo ihn der Gemeinderat zum Finanz- und Sozialbürgermeister gewählt hat, ein Amt das er 20 Jahre innehatte. Es waren turbulente Zeiten, die Gebietsreform stand an. Wie sichert man sich am besten seinen Arbeitsplatz? Indem man ihn kauft.

Der Kreis Leonberg wurde zum 1. Januar 1973 aufgelöst und Wolfgang Rückert wurde damit beauftragt, mit dem Kreis Böblingen über den Kauf des ehemaligen Landratsamtes zu verhandeln, das das neue Rathaus werden sollte. Der Kreispfleger im Landratsamt Böblingen, hatte die gleiche Position bereits im Altkreis Leonberg inne und war gut im Bilde und so einigte man sich schnell auf sechs Millionen Mark. „Ein günstiger Preis“, befindet der damalige Erste Bürgermeister, gehörte doch das gesamte Gelände dazu. Er war auch der erste, der mit seiner Abteilung 1974 vom historischen Alten Rathaus am Marktplatz dort einzog.

Nicht weniger turbulent verlief die Finanzierung des Hallenbads. Das sollte über einen Grundstücksverkauf auf der Leonberger Heide geschehen. Der Investor Ratio wollte hier ein mehr als zwanziggeschossiges Wohngebäude errichten. Die Stadt Gerlingen reichte eine Normenkontrollklage gegen das Vorhaben ein. Doch es kam anders. Ratio ging pleite. Aber auch Gerlingen verlor den Prozess. Die Richter monierten, dass eine Stadt, die selbst an so exponierter Lage ein Hochhaus wie die Bosch-Zentrale gebaut hat, es den Nachbarn nicht verbieten könnte, das Gleiche zu tun.

Das machte den Weg für Leonberg frei, die letzte Rate für den Grundstücksverkauf einzufordern. Die Landesgirokasse hatte dafür gebürgt. „Es war ein gutes Gefühl, mit vier Millionen Mark im Aktenkoffer aus der Bank herauszuspazieren“, erinnert sich Wolfgang Rückert. Und weil die Landesgirokasse keine Verwendung für das Grundstück hatte, trat sie es zum halben Preis an Leonberg ab.

„Meine Freunde sind mein Vermögen, meine Familie mein Leben“

Froh ist der Finanzfachmann auch, dass es ihm zwischen 1977 und 1979 gelungen ist, von der Schüle-Stiftung das Gelände des heutigen Stadtparks zu erwerben. Gebaut wurden in Leonberg die Spitalschule, die Parkkaverne am Marktplatz, die Stadthalle, die Ostertag-Realschule, das Martha-Johanna-Haus, das Leobad.

Von 1996 bis 2004 war er Staatssekretär im Finanzministerium unter dem Ministerpräsidenten Erwin Teufel. Das hat seinem Wahlkreis gutgetan. Unter anderem hat er sich für das Gymnasium Rutesheim stark gemacht, den Westanschluss Leonberg, die Südumgehung Weil der Stadt, die Umgehungsstraßen bei Rutesheim und Perouse.

Die Geburtstagsfeier zum 80., mit etwa drei Dutzend guten Freuden und geschätzten Wegbegleitern, steht unter dem Motto „Meine Freunde sind mein Vermögen und meine Familie mein Leben“, wie schon die Feier zu seinem 60. Ehrentag. Vor 20 Jahren hatten in der Leonberger Stadthalle Ministerpräsident Erwin Teufel und acht seiner Ministerinnen und Minister dem Geburtstagskind ihre Aufwartung gemacht. Der CDU-Fraktionschef Günther Oettinger und OB Bernhard Schuler würdigten seine Leistungen. 15 Bürgermeister sangen ein Ständchen. Und die Viererbande trat als singendes Quartett auf.„Das Motto seiner Feier hat er auch immer gelebt“, sagt Ehefrau Herta.

Viele glückliche Fügungen

„Als gläubiger Christ bin ich überzeugt, dass es eine höhere Fügung gibt, die die Ereignisse und die richtigen Menschen zusammentreffen lässt“, sagt Wolfgang Rückert. „Das bestätigt sich in meinem Leben immer wieder und ich bin dankbar dafür – und dafür, dass ich mit Herta den gemeinsamen Weg gehen kann.“ Sie sei die gute Seele für ihn, die Kinder und die Enkel. „Sie hat vieles austariert und aufgefangen“, sagt er.

Zur Person

Laufbahn
 Geboren wurde Wolfgang Rückert 1942 in Berlichingen. Nach dem Abitur begann er 1959 eine Ausbildung im gehobenen Verwaltungsdienst. Seine erste Stelle erhielt er im Landratsamt Leonberg und wechselte später nach Spaichingen.

Leonberg
 1972 wurde er dann zum Ersten Beigeordnete der Stadt Leonberg gewählt – mit der Bezeichnung Bürgermeister. In den Beginn seiner Amtszeit fielen die Eingemeindungen der drei Teilorte Höfingen, Gebersheim und Warmbronn, wodurch die Bevölkerung in Leonberg zwischen 1970 und 1975 sprunghaft um gut 10 000 Einwohner auf fast 36 000 Menschen anwuchs. 1973 folgte die Auflösung des Kreises Leonberg und die Eingliederung Leonbergs in den Kreis Böblingen. Rückert war von 1984 bis 1992 auch im Böblinger Kreistag, wofür er 1984 sogar in die CDU eingetreten ist, deren Fraktionsvorsitzender er von 1986 an war.

Landespolitik
1992 bewarb sich Wolfgang Rückert erstmals um ein Landtagsmandat und wurde prompt gewählt. Nach einem kurzen Intermezzo als Vorsitzender des Verbands der Region Stuttgart (1995-96) wurde er von Erwin Teufel 1996 als Staatssekretär ins Landesfinanzministerium berufen. Diesen Posten bekleidete er bis 2004. Bei der Landtagswahl 2006 trat er nicht mehr an. 2005 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

Privat
Seit 1966 ist er mit seiner Frau Herta verheiratet, mit der er einen Sohn und eine Tochter sowie mittlerweile fünf Enkelkinder hat. Sohn Klaus Michael ist aktuell Landrat im Kreis Freudenstadt.