Der Komödiant Olli Dittrich knöpft sich die Frühprogramme der Sender vor: Mit seinem „Frühstücksfernsehen“ in der ARD gelingt ihm ein neuer Geniestreich.

Stuttgart - Eine Begegnung mit Oliver Dittrich ist verblüffend. Der Komödiant wird in diesem Jahr 57, sieht aber ohne seine schwarze Brille zwanzig Jahre jünger aus als im Fernsehen; ein Hinweis darauf, dass womöglich auch der unverkleidete „Olli Dittrich“, der beispielsweise immer wieder bei Harald Schmidt auftaucht, bloß eine Kunstfigur ist. Wenn Schmidt und Dittrich aufeinandertreffen, sorgen sie regelmäßig gänzlich unangestrengt für ein Feuerwerk an Pointen. Auch dies bleibt der private Oliver Dittrich schuldig, fast wirkt er sogar ein wenig schüchtern; ein weiterer Beleg dafür, welch begnadeter Schauspieler er ist. Denn selbstredend würde man ihm Unrecht tun, wenn man ihn bloß für einen vortrefflichen Verkleidungskünstler hielte. Dittrich ist ein glänzender Parodist; seine Auftritte in der Comedyshow „RTL Samstag Nacht“ sind bis heute Höhepunkte der deutschen Fernsehunterhaltung. Endgültig zu einem der größten deutschen Komödianten wurde er durch die Improvisationsfilme „Blind Date“ (mit Anke Engelke) und seine vielleicht größte Schöpfung, den Hamburger Alltagsphilosophen Dittsche.

 

Aufgebauschte Sensatiönchen

Mit seinem „Frühstücksfernsehen“ gelingt dem gebürtigen Hessen nun ein weiterer Geniestreich. Würde die Comedysendung nicht um 23.30 Uhr, sondern tatsächlich morgens um sieben Uhr ausgestrahlt, viele Zuschauer würden womöglich gar keinen Unterschied merken. Gemäß der Maxime, dass eine Parodie nur dann komisch ist, wenn das Original zumindest skurrile Züge trägt, orientiert sich Dittrich eng an der Machart solcher Zeitvertreibsendungen. Perfekt persifliert „Frühstücksfernsehen“ die verkrampft locker dargebotene Mischung aus aufgebauschten Sensatiönchen und Alltagsnähe. Der Knüller dabei: abgesehen von der Komoderatorin Claudia Akgün (Cordula Stratmann) spielt Dittrich alle Beteiligten selbst – den begriffsstutzigen Außenreporter, der bloß heiße Luft produziert, den abgehalfterten argentinischen Fußballstar, der dem Hamburger SV zu neuer Blüte verhelfen soll, oder den schüchternen Bob Dylan, der sich durch einen bizarren Zufall ins Studio verirrt hat. Authentisch werden die Auftritte durch die Mitwirkung unter anderem von Reinhold Beckmann (dessen Firma Beckground die Sendung produziert hat) und dem HSV-Trainer Thorsten Fink. Der WDR hatte sich erst kurz vor der Ausstrahlung der Testfolge am Montag entschlossen, die Sendung in Serie gehen zu lassen.

Während manche Darbietungen bloß herrlichen Blödsinn bieten, sind einige Beiträge durchaus satirisch, allen voran der Auftritt der bayerischen Bürgermeisterin Ingrid Höffelhuber (natürlich auch Dittrich), der es mit einer absurden Aktion gelungen ist, ihr Dorf zu „Europas leisester Gemeinde“ zu machen. Als Satire oder gar Fernsehkritik will Dittrich sein neues Format trotzdem nicht verstanden wissen: „Persiflage auf ein sehr spezielles Genre, das trifft es besser. Wobei wir aber nichts und niemanden gezielt parodieren, das würde viel zu sehr einengen. Unsere Figuren und Geschichten sind frei erfunden, von der Wahrheit aber kaum zu unterscheiden.“ Um das zu erreichen, müsse man genau beobachten, „wer oder was im wahren Leben von sich aus komisches Potenzial hat.“

Dittrich hat das offenbar schon immer getan: „Bereits als Kind haben mich die Sonderbarkeiten und Schrullen, die komischen Dialekte, Bewegungen und Angewohnheiten meiner Mitmenschen in den Bann gezogen. Ich habe das dann gern nachgeäfft, ganz ohne besondere Übung oder Absicht. Eigentlich ist es leicht, man muss nur richtig hinschauen.“ Doch ganz so einfach ist es keineswegs. Die bayerische Bürgermeisterin ist das beste Beispiel dafür, dass eine Persönlichkeit erst durch die Kombination von Verkleidung und innerer Haltung entsteht, wie Dittrich bestätigt: „Geist, Seele und das Handeln der Figur müssen hundertprozentig stimmen und sich perfekt ergänzen.“ Ist die Verkleidung übertrieben, fehlerhaft oder einfach schlecht gemacht, ist die Illusion dahin. „Dann wird die Figur zum Clown.“