Bezirksvorsteher Wolfgang Stierle hat Neubürgern bei einem Spaziergang den Stadtteil gezeigt. Kundig und in freier Rede, skizzierte Stierle Eckdaten aus Botnangs Geschichte, angereichert mit launigen Bemerkungen.

Botnang - Man sieht nur, was man weiß.“ Schon am Ausgangspunkt der Führung durch den Stadtteil durfte man an dieses Goethe-Wort denken. Denn im Bezirksrathaus setzte Wolfgang Stierle zu einer Tour d'Horizon an, die von der frühen Siedlungsgeschichte des Ortes bis mitten in die Gegenwart führte. Ideal dafür war der dritte Stock des Hauses, in dessen Flur die Ortsgeschichte beschrieben ist, und wo zudem eine kleine Dauerausstellung mit archäologischen Fundstücken aus der Römerzeit präsentiert wird.

 

Kundig und in freier Rede, skizzierte Stierle Eckdaten aus Botnangs Geschichte, angereichert mit launigen Bemerkungen: „Durch die erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1075 ist Botnang sogar einen Tick älter als Stuttgart.“ Gleichwohl habe der Ort die 1922 erfolgte Eingemeindung aktiv betrieben. Dass im „alten Rathäusle“, heute ein privates Wohnhaus, das einstige Standesamt nun als Schlafzimmer eingerichtet ist, war nur eine von vielen Pointen.

Stierle vergleicht Botnang mit San Francisco

Nicht minder interessiert folgten die rund 30 Teilnehmer etwa den mit historischen Reminiszenzen angereicherten Erläuterungen zum „roten Botnang“, mit der ersten größeren Ortserweiterung im Zuge der Industrialisierung, zum Arbeiterdorf und den Wäscherinnen und Bleicherinnen, „die für Stuttgart die Wäsche gewaschen haben“. Mit kleiner Landwirtschaft, mit Obst- und Weinbau wurde das karge Einkommen aufgebessert, woran Flur- und Straßennamen mit der Endung „Halde“ erinnern. Zu den Basics zählt auch der Charakter Botnangs als Rodungsinsel einschließlich dem Grundsatz, „nur bis zum Waldrand und nicht weiter zu bauen“. Dass Botnang „kein einziger Baum ringsum gehört“, ist der folgenreichen Kuckucks-Saga geschuldet. Eine Ur-Erzählung, mit der Neubürger selbstredend vertraut gemacht werden müssen.

Draußen ging es dann in die Alte Stuttgarter Straße, die Stierle als „die alte Einkaufsstraße“ vorstellte, „in der die Botnanger bis Ende der 1970-er Jahre eingekauft haben. Hier gab es fast alles,“ stellte Stierle fest. Und wenn Stierle in der Topografie Botnangs zuvor einen „Spiegel von Stuttgart“ sah, so fand man sich nun ein wenig „in San Francisco“ wieder, „wo es auch rauf und runter und hin und her geht“. Das „scharfe Eck“ wiederum illustriert einst zentrale Wegrichtungen: die Vaihinger Straße Richtung Filder, die Alte Stuttgarter hinein in die Residenzstadt.

Flair des alten Dorfs spürbar

An der Baugrube zur neuen Ortsmitte ergab sich Gelegenheit zu einem kleinen kommunalpolitischen Exkurs in Sachen Infrastruktur – und zu Grenzen von deren Gestaltung. Etwa auf Fragen nach einem Hotel oder einem Lebensmittel-Discounter. Über die Nöllenstraße führte der Weg auf Halbhöhe, wo sich ein prächtiger Blick auf die Talsohle und die umliegenden Hänge bot. Aufschlussreich, was Stierle dabei zu im Ortsbild ablesbaren, auch den jeweiligen Zeitgeist spiegelnden Aufsiedlungen von Mitte der 1960-er Jahre rechter Hand, zu den nachfolgenden Bauten im Rücken oder zu den Einzelhäusern in Südlage zu sagen wusste. Einschließlich der Feststellung: „Mit Bauflächen ist Botnang am Ende. Veränderung müssen wir jetzt im Bestand erzielen.“

Im Himmelreich wies Stierle angesichts alter, kleiner Häuser auch darauf hin, „wie dieses alte Gesicht Botnangs stückweise verschwindet.“ Die Casa Pompa erinnerte ans alte Pumpenwerk und an den Beginn der Versorgung mit fließendem Wasser ab 1902. Und der Weg in die Eltinger Straße, einst die wichtige Verbindung zur Solitude, brachte Kontakt zu jenem Teil Botnangs, in dem noch „am meisten vom Flair des alten Dorfs spürbar ist“. Rössle und Malerwerkstätte Dietz, die alte Schule, aber auch der Parkplatz, auf dem die im Krieg zerstörte Kelter stand, waren weitere Stationen. Schließlich die „Werapflege“, als Kindergarten einst eine soziale Großtat. Den Schlusspunkt setzte der alte Friedhof, der heute eine gepflegte Grünanlage ist.