Mitarbeiterinnen des RP wandeln auf den Spuren Vaihinger Persönlichkeiten. Die Sozialpädagogin und Journalistin im Ruhestand, Elisabeth Marquart, leitete sie zu Orten, die auf die Geschichte unterschiedlicher Frauen und Männer verweisen.

Vaihingen - Den ganzen Tag über ist es um Workshops zu Themen wie berufliche Entwicklung oder Gleichstellung von Frauen gegangen. Zum Abschluss ließen sich etwa 50 Mitarbeiterinnen des Regierungspräsidiums Stuttgart (RP) den Tagungsort Vaihingen von einer eher unbekannten Seite zeigen. Elisabeth Marquart leitete sie zu Orten, die auf die Geschichte unterschiedlicher Frauen und Männer verweisen. Die Sozialpädagogin und Journalistin im Ruhestand führt sonst im Auftrag des Stadtjugendrings Schülergruppen, um ihnen die Geschichte des Nationalsozialismus anschaulich zu machen. Bei den Besucherinnen der Frauenversammlung, die einmal jährlich im Regierungspräsidium abgehalten wird, stieß sie auf Interesse.

 

„Wohlhabende Frauen haben sich damals eben sozial engagiert“

Gleich vor dem RP-Gebäude, an der Schockenriedstraße, tauchte die Stadtführerin in die Vergangenheit ein und erzählte zunächst die Geschichte eines Vaihinger Bürgers. Dort weist ein vom Bildhauer Gunter Demnig angebrachter Stolperstein auf den Schneidermeister Eugen Banz hin, der sich als Kritiker der Nationalsozialisten mit dem NSDAP-Ortsgruppenleiter Hans Junginger angelegt hat. Im Konzentrationslager Welzheim, wo politisch auffällige Menschen wie er umerzogen werden sollten, wurde er misshandelt. „Er war ein stattlicher Mann“, sagte Elisabeth Marquart und zeigte ein Foto des widerständigen Schneidermeisters, der sich nicht einschüchtern ließ. 1942 starb er an den Folgen der Misshandlungen.

Am Bahnhof erzählte Marquart vom Industriellen Robert Leicht, dessen Brauerei im Zentrum von Vaihingen ortsbestimmend gewesen sei. Dieser, ein Tüftler mit Beziehungen zur Familie Benz, interessierte sich für technische Errungenschaften seiner Zeit: für die Seilbahn, mit der die Gerste vom Bahnhof zur Brauerei transportiert wurde, oder für die Kellerkühlung auf dem Rosenpark-Gelände, wo das im Winter geschnittene Eis unterirdisch gelagert wurde.

Seine Frau Fanny ist vor allem durch die Stiftung für eine Schule, das heutige Fanny-Leicht-Gymnasium, bekannt, das aus der Villa des Fabrikanten-Ehepaares hervorgegangen ist. „Wohlhabende Frauen haben sich damals eben sozial engagiert“, kommentierte Elisabeth Marquart.

Berühmtheit durch Jantzen-Badeanzüge

Vom Vollmoeller-Park aus beschrieb sie mit Blick auf den Filderhof (inzwischen eine Altenpflegeeinrichtung) eine weitere Fabrikantenfamilie: die des Textilproduzenten Robert Vollmoeller. Vollmoeller produzierte Wäsche und erlangte durch die Jantzen-Badeanzüge gewisse Berühmtheit. „In den USA sind die heute noch Kult“, sagte Marquart amüsiert und zeigte Werbeplakate aus den 50er-Jahren. Ehefrau Emilie Vollmoeller engagierte sich ebenfalls sozial: Sie sorgte dafür, dass die Arbeiterinnen, die meist vom Land kamen, gute und sichere Unterkünfte bekamen. Das von ihr gegründete Emilienheim existiert nicht mehr.

Am Stadtparkbrunnen zeigte Elisabeth Marquart ihren Zuhörerinnen ein Foto der ursprünglichen Figur, einer stehenden Frau, ganz im pathetischen Stil des Nationalsozialismus von den Worten „Ehre, Treue, Heimat, Liebe“ begleitet. Während des Krieges wurde sie eingeschmolzen, da man das Metall benötigte, nach dem Krieg schuf der gleiche Bildhauer eine weniger heroische Mutter mit Kind.

Besichtigung der ersten Vaihinger Stolpersteine

Besonders berührt zeigten sich die Teilnehmerinnen von der Geschichte einer 17-Jährigen, die im Rathaus eingekerkert wurde, weil sie als Lehrling bei der Firma Hornung Freundschaft mit einem französischen Zwangsarbeiter aus dem Elsass geschlossen hatte. Sie wurde denunziert, glatt geschoren und als „Ehrlose“ durch die Vaihinger Hauptstraße, damals Adolf-Hitler-Straße, geführt. „Das Mädchen hat die Nationalsozialisten überlebt, aber das hat sie natürlich geprägt für ihr Leben“, sagte Elisabeth Marquart.

Zum Abschluss besichtigte die Gruppe die ersten Stolpersteine, die in Vaihingen verlegt worden sind. Franz und Henriette Fried, er Leiter der Deutschen Bank, wurden 1941 nach Riga (Lettland) deportiert und dort umgebracht, weil sie Juden waren. „Der Stolperstein vor der Deutschen Bank wird immer wieder poliert“, lobte Elisabeth Marquart den geschichtsbewussten Umgang mit den weniger schönen Seiten der Vaihinger Geschichte.