Vergoldete Armaturen, ein Zoo und viele Mythen – die Villa des ukrainischen Ex-Staatschefs Viktor Janukowitsch steht allen offen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Meschigorje - Eines Tages war Petro Olinek einfach da. Acht Monate ist das her, und er hat Meschigorje seit jenem Zeitpunkt nicht mehr verlassen. Woher er stammt? Niemand weiß es genau. „Ich habe im Winter zwei Monate auf dem Maidan für die Revolution gekämpft – Tag und Nacht“, erzählt Petro Olinek mit weit ausholenden Gesten und großem Stolz in der Stimme. Damals habe nach wochenlangem blutigem Kampf das Gerücht die Runde gemacht, Viktor Janukowitsch, der verhasste Präsident, sei nach Russland geflohen. Also ist Petro Olinek an einem kalten Februarmorgen zusammen mit Tausenden anderer Ukrainer vom Maidan nach Meschigorje gefahren, das liegt ein gutes Stück nördlich von Kiew. Erst vor den offenen schmiedeeisernen Toren des Anwesens wurde das Gerücht zur Gewissheit – der Despot war weg, getürmt im Helikopter, gestartet vom hauseigenen Hubschrauberlandeplatz. Nun wollte das Volk mit eigenen Augen den sagenumwobenen Palast sehen, jenes Symbol der maßlosen Selbstbereicherung.

 

Auch Olinek konnte damals über die Verschwendungssucht nur ungläubig die Augen reiben. Er ist über das 140 Hektar große Anwesen geirrt, hat die künstliche Tempelruine gesehen, den Yachthafen und eine 50 Meter lange Bar in Form einer spanischen Galeone. In diesem Augenblick hat er beschlossen, dass auch in Meschigorje die Revolution verteidigt werden müsse. Zu viele Beweise für die Machenschaften des gestürzten Staatschefs seien dort nach dem Zusammenbruch des Systems Janukowitsch zu finden. Also hat er im Palast des Despoten zwei Zimmer bezogen und wacht seither darüber, dass nichts aus dem Haus verschwindet – keine Papiere, keine Ikonen, keine Hanteln, absolut nichts.

Olinek ist Aufpasser, Hausmeister und Hausherr

Nach acht Monaten ist der Revolutionär Olinek eine Art selbst ernannter Aufpasser, Hausmeister und Hausherr in einer Person. Nicht immer ist klar, inwieweit dieses Haus mit seinen verwirrend vielen Zimmern, dem Prunk, Protz und schlechten Geschmack schon von ihm Besitz ergriffen hat. Selbstbewusst führt er Besucher durch das ehemalige Reich des Despoten, gehüllt in eine mit goldenen Troddeln umrankte schwarz-rote Standarte. Sie war einst das Symbol des nationalistischen Untergrunds während des Zweiten Weltkrieges und auf dem Maidan ein Zeichen des Protestes.

Über Marmorböden und Parkett geht es vorbei an Bowlingbahn und Schlafzimmern mit riesigen Flachbildschirmen und weiter in Janukowitschs Intimbereich, das Badezimmer mit den vergoldeten Armaturen. Zwischen seine Beschreibungen streut Olinek immer wieder Geschichten, manche einleuchtend, andere so fantastisch, dass sie nur aus dem Reich der Mythen stammen können. So habe im Kraftraum mit Boxring nur der Präsident selbst trainieren dürfen – jedem anderen sei es verboten gewesen, die Hanteln auch nur anzufassen. Dann fabuliert Olinek von einer neuen, großen Revolution in der Ukraine. Denn auch die aktuelle Regierung sei korrupt bis auf die Knochen und einfach nur schlecht.

Die meisten Bediensteten auf dem Anwesen sind geblieben

Olinek ist überzeugt, dass noch immer und überall die Handlanger des geflohenen Präsidenten am Werk sind. Selbst das Hauspersonal in Meschigorje sei weiter in hündischer Treue dem ehemaligen Hausherrn untergeben, raunt er. Auch das ist ein Geheimnis, das sich nicht einmal den Eingeweihten erschließt. Denn tatsächlich sind die meisten Bediensteten auf dem Anwesen geblieben und arbeiten seit dem Sturz des Präsidenten weiter – so, als hätte es die Revolution auf dem Maidan nie gegeben. Gärtner halten die Parks in Schuss, pflegen die Blumenbeete, mähen den englischen Rasen auf dem Golfplatz. So werden auch die zahlreichen Tiere in Janukowitsch Privatzoo versorgt, ebenso wie seine Hunde oder die Vögel im Fasanengehege.

„Bezahlt werden die Angestellten inzwischen aus dem Erlös der Eintrittsgelder, die wir verlangen“, erklärt Anna Babiniets. An den Wochenenden kämen bis zu 5000 Menschen nach Meschigorje. Die junge Frau ist Journalistin und war eine der Ersten, die im Februar das Anwesen betreten hat. „Damals fischten wir Unterlagen aus dem Dnjepr, die Janukowitschs Schergen in den Fluss geworfen hatten, um sie zu vernichten“, erzählt die junge Frau. „Wir haben sie in einer der Werfthallen getrocknet.“ 25 000 Seiten davon lagern nun bei der Staatsanwaltschaft.

Ein Teil der Häuser ist in Privatbesitz

Was mit dem Anwesen geschieht, weiß auch Babiniets nicht. Der Park gehöre dem Staat, sagt sie. „Wir hoffen, dass daraus ein Naturschutzgebiet wird.“ Das Problem seien die Häuser, die Privatleute besäßen, erklärt die Journalistin. Aber auch das ist nicht genau belegt. Tatsache ist, dass Janukowitsch die Anlage einst auf Staatskosten renoviert und dann privatisiert hat. Zugegriffen haben damals Firmen, die ihren Sitz in London und Wien haben und hinter denen wohl Janukowitsch selbst steckt.

Selbst Petro Olinek ist erstaunt, dass noch niemand gekommen ist, um ihn abzulösen – oder einfach nur rauszuwerfen. Er sei bereit, sich zu wehren, wenn die Leute von Janukowitsch versuchen würden, Meschigorje wieder zu übernehmen. Der ehemalige Maidan-Kämpfer klingt entschlossen: „Aber lieber brenne ich alles nieder, als diesen Verbrechern etwas zu überlassen.“