Die Intrigen der frühen Neuzeit faszinieren, weil sie nicht selten den aktuellen Zeitgeist spiegeln.

Stuttgart - Wie lebten einst Könige und Königinnen, Edelleute und Poeten? Was trug die feine Dame zum Ball, welche Waffen wählte der gehörnte Gatte, um seine Ehre zu retten? Die frühe Neuzeit, wie Historiker die Periode vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zur Französischen Revolution 1789 nennen, wirkt aus der Distanz faszinierend fremd. Immer wieder kitzelt sie die Fantasie der Filmemacher mit ihren verschwendungssüchtigen, exzentrischen Herrschern, politischen und erotischen Intrigen, religiösen und sozialen Verwerfungen.

 

Der Grat ist schmal zwischen historischer Faktentreue und purer Fiktion. Werke wie das grandiose Dreiecksdrama „The Favourite“ von Yorgos Lanthimos (siehe unten) beweisen, dass man aus moderner Perspektive ein ebenso plausibles wie fesselndes Porträt der Vergangenheit zeichnen kann – wenn man nicht übertreibt. Josie Rourkes gerade angelaufenes Biopic „Maria Stuart“ etwa ist schön anzusehen, aber allzu gewaltsam auf den Zeitgeschmack hingebogen. Die Filmgeschichte bietet viele gelungene Beispiele.

Elizabeth (1998)

Der Inder Shekhar Kapur zeigt das Leben der protestantischen Königin Elizabeth I. im England des 16. Jahrhunderts als prächtigen Bilderrausch. Cate Blanchett brilliert als stolze Königin im Ringen um ihren Thron. Kapur hält es mit den Fakten nicht immer genau, Elizabeths Kampf gegen die Vormacht der Katholiken stellt er aber überzeugend als politischen Kraftakt dar. Die weniger erfolgreiche Fortsetzung „Elizabeth – Das goldene Königreich“ (2007) beleuchtet die zweite Lebenshälfte der Monarchin, deren Feldzug gegen die spanische Armada Philipps II. und die unglückliche Liebe zum Seefahrer Walter Raleigh.

Shakespeare in Love (1998)

John Maddens Romanze zwischen dem berühmten Dichter und einer schönen Dame namens Viola ist frei erfunden, enthält aber einige Körnchen Wahrheit. Judy Dench gibt die greise Königin Elizabeth, die als wichtigster Fan Shakespeares Karriere beflügelte. Madden begeisterte mit seiner Erzählung; das hervorragende Ensemble, die witzigen Dialoge und liebevolle Ausstattung brachten dem Film sieben Oscars ein.

Barry Lyndon (1975)

Stanley Kubricks bitter-komisches Sittengemälde des 18. Jahrhunderts nach einem Roman von William Makepeace Thackeray gilt als Meilenstein der Filmgeschichte. In ausgeklügelten Tableaus entwirft der Macher von „2001: Odyssee im Weltraum“ den Werdegang des jungen Landadeligen Redmond Barry, eines notorisches Schürzenjägers und Spielers, der mit allerlei Tricks versucht, in höchste Kreise aufzusteigen.

Besonders wird der Films durch Kubricks genaue Schilderung einer politischen und sozialen Zeitenwende. Barry Lyndons Karriere endet am Vorabend der Französischen Revolution, dementsprechend süffisant mutet das im Film eingeblendete Schlusswort an: „Es war während der Regentschaft Georgs III., dass die vorerwähnten Personen lebten und stritten; gut oder böse, schön oder hässlich, arm oder reich, sie alle sind nun gleich“.

Marie Antoinette (2006)

Unmittelbare vor der Revolution spielt Sofia Coppolas Biopic über die Königin Marie Antoinette, die 1793 ihren Kopf auf dem Schafott verlor. Kirsten Dunst interpretiert die aus Österreich eingeheiratete Monarchin sehr heutig als verzogene und charmante Luxusgöre nach dem Vorbild Paris Hiltons. Sie belastet den Staatsetat mit rauschenden Festen, extravaganter Mode und teuren Süßigkeiten. Ihren Gatten Louis XVI. hintergeht sie mit dem schwedischen Graf von Fersen, die Mätresse ihres Schwiegervaters schikaniert sie.

Dabei ist Marie Antoinette keine böse Person, sondern ein argloser, letztlich einsamer Teenager. So eindimensional Coppolas Aufarbeitung der Historie manchem erschien, so strahlend erstand in ihren pastellfarbenen Rokoko-Bildern eine Vergnügungskultur auf, mit der sich heutige Sternchen gern schmücken würden.

Gefährliche Liebschaften (1988)

Die Marquise de Merteuil will Bastide, doch der hat sie verlassen. Aus Rache beauftragt die Witwe ihren Ex Valmont, Bastides Verlobte Cécile zu verführen. Valmont aber will lieber die Moral von Madame de Tourvel brechen. Choderlos de Laclos’ Briefroman von 1782 über erotische Ränke verkommener Herrschaften hat einige Regisseure begeistert. Die bekannteste Adaption lieferte Stephen Frears, 1959 gab es schon eine von Roger Vadim mit Jeanne Moreau und Jean-Louis Trintignant. Milos Formans „Valmont“ blieb dagegen unterschätzt. Roger Kumble wagte es 1999, den Stoff im Teenie-Erotik-Drama „Eiskalte Engel“ aus dem Frankreich des 18. Jahrhunderts ins Neuengland der Jahrtausendwende zu verlegen.