Die SPD-Fraktion wirft der Verwaltung Untätigkeit vor und fordert einen Neustart in der Wohnungspolitik. Die Genossen wollen mit Fondsvermögen im großen Stil Grundstückspolitik betreiben und die städtische Wohnungsbautochter stärken.

Stuttgart - Die SPD-Fraktion im Gemeinderat wirft OB Fritz Kuhn (Grüne) zum wiederholten Male vor, beim sozialen Wohnungsbau auf der Bremse zu stehen und damit die Situation mit Spitzenpreisen für Miete und Eigentumserwerb zu verschärfen. „Die Förderbilanz des OB ist enttäuschend. Er verfehlt die selbst gesteckten Ziele um Längen“, so Fraktionschef Martin Körner.

 

Seit Kuhns Ankündigung im Jahr 2013, pro Jahr 600 geförderte Einheiten zu bauen, davon die Hälfte Sozialwohnungen, würde das Ziel mit durchschnittlich 55 fertig gestellten Wohnungen pro Jahr, deutlich verfehlt. 2015 seien zwar etwas mehr als 400 Anträge eingereicht worden, 2016 aber lediglich 235 (und davon nur 97 für Sozialwohnungen). Und das, obwohl seit dem Jahr 2012 im Innenentwicklungsmodell 20 Prozent geförderte Wohnungen bei Neubauten (und bei neuem Bebauungsplan) gefordert werden.

Preissenkung durch Grundstückskauf

Körner fordert deshalb mit einem Fünf-Punkte-Programm einen „Neustart in der städtischen Wohnungspolitik“. Dafür soll die Stadt in den nächsten fünf Jahren 250 Millionen Euro Fondsvermögen in Grundstücke investieren. Damit ließen sich die Preise senken. Die städtische Wohnungsbautochter SWSG soll damit ihren Bestand von 20 000 auf 30 000 Wohnungen aufstocken. Derzeit sei der städtische Anteil sozial geförderter Wohnungen mit sechs Prozent vergleichsweise gering, betonten Körner und sein Stadtratskollege Udo Lutz und erhoffen sich eine Mehrheit für eine Erhöhung auf zehn Prozent. Die Genossen denken dabei auch an das EnBW-Gelände an der Hackstraße. Sie schlagen vor, die bestehenden Rechtsstreitigkeiten mit dem Versorger durch Verhandlungen über Energiebeteiligungen und Grundstücke zu ersetzen. Betriebe wie Daimler oder Bosch sollen in Betriebswohnungen investieren.

Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) sieht die Stadt auf einem guten Weg. Er verweist jedoch auf die langen Zeiträume zwischen der Stellung eines Förderantrags und der Einweihung eines Wohngebäudes, sei es mit Sozialwohnungen oder für preiswertes Wohneigentum.

Ausreichend Areale für Wohnungsbau

„Konflikte und Entwicklungshemmnis überwinden, Bebaubarkeit herstellen, Verfahren beschleunigen“, nannte die Stadt 2016 als Voraussetzungen für eine rasche Realisierung. Uneinigkeit im Gemeinderat, etwa bei der Nachverdichtung im Fasanenhof oder im Schafhaus in Mühlhausen, sorgen ebenso für Verzögerungen wie Rechtsstreitigkeiten in Stammheim – 320 Wohneinheiten harren dort der Realisierung. Zudem würden in den nächsten Jahren besonders große Vorhaben wie der Neckarpark, die Flächen von Bürger- und Olgahospital sowie das Schoch-Areal begonnen, so dass die versprochenen Einheiten geliefert würden, nur eben etwas später. Die „Zeitstufenliste Wohnen“ habe ausreichend Potenzial, um die Ziele zu erreichen. Das sieht auch die SPD so, aber nur für den Fall, „dass OB Kuhn aufhört, bei Bürgerversammlungen vor Ort Rückzieher zu machen wie im Falle Schafhaus“, so Körner.

Dass das auch für seine Partei gilt, räumt der Fraktionschef ein. Er begründet seine Zustimmung nun damit, dass sich die Situation seit 2009 verschärft habe. Nun kann sich die SPD dort wie anderswo eine deutlich dichtere Bebauung vorstellen. Die Anwohner müssten davon aber auch etwas haben, etwa schöne öffentliche Flächen. Mehr Einwohner auf derselben Fläche bedeute aber auch, dass diese Quartiere für Einzelhändler wieder attraktiv würden.

Kaufpreisübertreibung in Stuttgart

Dabei könnte es mit dem exorbitanten Preisanstieg in den Metropolen bald vorbei sein. Im Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft 2017 heißt es, in Stuttgart legten die Kaufpreise für Eigentumswohnungen noch schneller zu als die Mieten. Die Kaufpreisübertreibung von 50 Prozent führe dazu, dass sich der Erwerb nicht mehr länger durch Mieteinnahmen finanzieren lasse. Es drohe eine Blase.

Die SPD sieht vor allem einen Verlust an Sozialwohnungen, wenn nicht mit Neubau und Erwerb von Belegungsrechten gegengesteuert werde. Die Zahl sei seit 1992 von 22 000 auf 16 000 gesunken, jährlich fielen weitere 450 aus der Bindung heraus.

Das Liegenschaftsamt hat 2016 dagegen für 2020 rund 19 400 Sozialwohnungen prognostiziert. Von Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) stammt die Aussage, am Geld werde der Erwerb von Belegungsrechten nicht scheitern, sollten von Dritten tatsächlich mehr als die geplanten 100 pro Jahr angeboten werden.

Grundstücksoffensive
Die Stadt sollte in den nächsten fünf Jahren 250 Millionen Euro in städtische Grundstücke investieren. Das könnten bebaute (über die SWSG) oder unbebaute (über die Stadt) sein. Der SWSG-Bestand würde so von 20 000 auf 30 000 erhöht.

Fünf-Punkte-Programm der SPD im Überblick

Partner:
Wohnungsbaugenossenschaften, bei denen die Mieter Eigentümer seien, sollten beim Verkauf städtischer Grundstücke verstärkt zum Zuge kommen. Generell solle die Stadt die Genossenschaften stärker als Partner sehen.

Quotenerhöhung
: Bei Neubauten sollten die Vorgaben für neue preiswerte Wohnungen, die SIM-Quote, von 20 auf 30 Prozent erhöht werden. Die Förderung preiswerten Wohnraums im Bestand solle ebenfalls gesteigert werden.

Strategien
: Um die Vielfalt in den Wohnvierteln zu sichern und die Verdrängung zu verhindern, sollten Mieter durch Erhaltungssatzungen stärker geschützt werden. Sozialplanerische Ziele sollten bei neuen Sanierungsgebieten aufgenommen werden. Die Förderung von Investitionen solle sich stärker an sozialen Kriterien orientieren.

Neubau
: Die SPD will mehr Wohnungen durch kluge Nachverdichtung und neue Bauflächen am Stadtrand und in der Region. Dafür soll eine regionale Wohnungsbau GmbH mit der SWSG als Teilhaberin gegründet werden.