Ein 84-Jähriger aus Stuttgart-Heumaden verliert seine Lesebrille in einem Bus. Doch am Telefon bekommt er von der SSB keine Auskunft darüber, ob die Brille gefunden wurde. Woran liegt das? Und wohin muss man sich generell wenden, wenn man etwas verliert?

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Filder - Dass er seine Lesebrille je wieder finden wird, daran glaubt Werner Ketzer nicht mehr. Der 84-Jährige aus Heumaden war vor einigen Tagen im 65er-Bus unterwegs. Dort hat er seine Lesebrille liegen gelassen. Zurück in Heumaden hat er bei der Fundstelle der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) in Degerloch angerufen, die für die Buslinie 65 verantwortlich sind. Doch dort konnte man ihm nicht weiterhelfen: „Man hat keine Chance, eine telefonische Auskunft zu erhalten“, sagt Ketzer.

 

Nur zwei Stunden am Tag erreichbar

Zwar betont Birgit Kiefer, die Sprecherin der SSB, dass man unter der Telefonnummer 0711/78 85 33 33 von dienstags bis freitags zwischen 10 und 12 Uhr Auskünfte zu Fundsachen erhalte, allerdings ist dieser Anrufzeitraum eben sehr begrenzt und die Nummer für Fahrgäste auch schwer zu ermitteln. Birgit Kiefer erklärt dies damit, dass die SSB-Mitarbeiter telefonisch nur schwerlich helfen könnten: „Wer sich dennoch für diesen Weg entscheidet, findet die Nummer unseres Kundenservices im Telefonbuch oder bekommt sie über die Auskunft.“

Einfacher ist es, mithilfe des Internets zu prüfen, ob der vermisste Gegenstand in einer Stadtbahn oder einem Bus gefunden wurde. Doch nicht jeder hat einen Computer mit Internetzugang. Alle anderen müssen persönlich zur Fundstelle nach Degerloch fahren, sofern sie telefonisch nicht weiterkommen – so wie Werner Ketzer. „Vor allem für ältere Menschen finde ich das nicht gut“, sagt der 84-Jährige. „Nicht alle haben Internet. Und wer keine Jahreskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel hat, muss nicht nur extra nach Degerloch fahren, sondern auch noch Geld dafür bezahlen. Das tut weh.“ Noch frustrierender sei es, wenn der verlorene Gegenstand dann gar nicht bei der SSB sei – und die Fahrt nach Degerloch umsonst war.

Pro Tag 90 Fundsachen bei der SSB

Laut Birgit Kiefer laufen pro Tag im Durchschnitt 90 Fundsachen bei der SSB auf, bei Großveranstaltungen entsprechend mehr. „Meist werden Handys und Geldbeutel sowie Einkaufstaschen in den Fahrzeugen und an den Haltestellen liegen gelassen. Auch Sportbeutel werden oft gefunden.“ Teilweise würden aber auch skurrile Gegenstände liegen bleiben; in der Vergangenheit zum Beispiel ein Rollstuhl, ein Gebiss, eine Hexenmaske für Fasching oder gar ein Degen. Fast alle gefundenen Gegenstände werden in die Fundstelle nach Degerloch gebracht, lediglich Lebensmittel sowie Pflanzen werden noch in den Betriebshöfen entsorgt.

Im Vergleich zur SSB ist die Vorgehensweise bei anderen Fundstellen kundenorientierter geregelt: Wer zum Beispiel in einer S-Bahn, einem Zug oder an einem Bahnhof etwas verloren hat, kann sich entweder persönlich bei der Deutschen Bahn am Stuttgarter Hauptbahnhof erkundigen (täglich, auch sonntags), dort anrufen oder eine Verlustmeldung per Fax, Mail oder Post schicken.

Nur 20 Prozent werden abgeholt

Und auch das städtische Fundbüro an der Hauptstätter Straße ist telefonisch, per Mail sowie persönlich erreichbar. „Bei uns fragen die meisten telefonisch nach, ob ihr verlorener Gegenstand gefunden wurde; wir erhalten zwischen 60 und 100 Anrufen jeden Tag“, sagt Dieter Wolf vom Fundbüro. „Persönlich kommen nur die wenigsten vorbei.“ Die häufigsten Fundsachen seien im städtischen Fundbüro Schlüssel, danach folgten Brillen, Regenschirme und Geldbeutel. Im Jahr würden zwischen 12 000 und 14 000 Gegenstände auflaufen, also rund 35 pro Tag. „Wenn wir davon 20 Prozent wieder an den Eigentümer loswerden, läuft es gut“, sagt Wolf. Den Rest erhält nach einer Frist von sechs Monaten der Finder – oder der Gegenstand wird öffentlich versteigert. Die SSB bewahrt die meisten Gegenstände nur für acht Wochen auf, lediglich Wertsachen werden sechs Monate lang gelagert. Danach werden die Gegenstände für wohltätige Zwecke gespendet oder vernichtet.

Und Werner Ketzer und seine verlorene Lesebrille? Der 84-Jährige hat mittlerweile mithilfe der Autorin dieses Textes die Onlinesuche der SSB bemüht. Seine Brille ist nicht gelistet unter den gefundenen Gegenständen. Die Fahrt zur Fundstelle der SSB nach Degerloch wäre für ihn also tatsächlich umsonst gewesen.