Die Geschichtswerkstatt hat über das denkmalgeschützte Kesselhaus der Furtbachklinik informiert. Die Klinik will erweitern, dafür soll das Kesselhaus weichen.

S-Süd - Dass eine Kirche mehr ist außer Gotteshaus, zeigt St. Maria im Stuttgarter Süden seit geraumer Zeit, etwa mit Ausstellungen und Performances. Nun begrüßte Pastoralreferent Andréas Hofstetter-Straka zu einer „Veranstaltung gegen den Abriss“, der wie ein Damoklesschwert über dem Nachbarhaus schwebt: Im Kirchenschiff informierten die Macher des Vereins Geschichtswerkstatt-Süd, darunter Süd-Historiker Wolfgang Jaworek und Erste Vorsitzende Barbara Hornberger, über das historische Kesselhaus der Furtbachklinik. „Es ist zwar als Kulturdenkmal geschützt, aber aktuell vom Abriss bedroht“, so Jaworek. Und weil das städtische Liegenschaftsamt keine Besichtigung des Bauwerks erlaubt hätte, sei man nun in St. Maria.

 

Integration in Neubau möglich

Hintergrund: Das Furtbachkrankenhaus, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, will seine Räumlichkeiten im Hinterhof erweitern. Dabei soll das denkmalgeschützte Kesselhaus weichen. Nun regt sich Widerstand, dass einmal „mehr wertvolle historische Bausubstanz vermeintlich vorrangigen aktuellen Nutzungsinteressen geopfert“ werden könnte. Dabei gäbe es Lösungen: Die Architekten Sorg + Frosch sowie Helma Fuchs erstellten einen Entwurf, der das Kesselhaus in die Neubauten unter einem Glasdach integriert. Jaworek präsentierte diesen, das Liegenschaftsamt habe den Architekten nicht erlaubt aufzutreten.

Indes sprachen Hans Peter Münzenmayer, einst beim Landesdenkmalamt für technische Baudenkmäler zuständig, Siegfried Bassler, SPD-Alt-Stadtrat und Ex-Bezirksvorsteher von Stuttgart-Süd, sowie Dürrlewang-Historiker Hans Martin Wörner. Die letzten beiden als Zeitzeugen: Basslers Vater arbeitete und starb im Kesselhaus, Wörners Vater Hans war 1947 bis 1957 Jugendsekretär beim Christlichen Verein Junger Männer (CVJM) in Stuttgart – heute Christlichen Verein Junger Menschen.

Einst ein Vorzeige-Gebäude für den CVJM

Der evangelische CVJM baute einst das Furtbachhaus neben der katholischen St. Maria, um jungen Männern – Handwerksburschen, Soldaten und anderen, die vom Land einströmten – vor den Verlockungen der Großstadt zu schützen. Besitzer des Grundstücks sei Architekt Heinrich Dolmetsch gewesen, selbst CVJM-Vereinsmitglied. „Er verkaufte es dem Verein mit der Option den Bau zu entwerfen“, so Jaworek. „Im 19. Jahrhundert war dort wildes Gartengelände, der Nesenbach hieß dort Furtbach, weil es eine Furt gab.“ Stolze 1,3 Millionen Goldmark kostete der Bau – über Spenden finanziert –, der unter den großen CVJM-Vereinshäusern des frühen 20. Jahrhunderts als eines der „schönsten und modernsten Häuser für junge Männer“ galt. Vom Schwimmbad, das erste öffentliche in Stuttgart, und dem Festsaal, an dessen Kopfseite wie in einem Gotteshaus eine große Orgel prangte, wurde geschwärmt. Letzterer wurde nach dem Ersten Weltkrieg und ab 1939 wieder zum Lazarett, nach dem Zweiten Weltkrieg tagte dort erstmals die Verfassunggebende Landesversammlung für Württemberg-Baden, 1946 die erste Landtagssitzung. Sowohl Schwimmbad und Festsaal wurden in den 50er-Jahren abgerissen, das Furtbachhaus war noch nicht denkmalgeschützt: Der CVJM verkaufte sein Domizil an die Stadt, das Furtbachhaus nahm DDR-Geflüchtete auf, wurde Polizisten-Wohnheim, dann Chirurgische Klinik. 1996 zog die „Klinik der offenen Tür“ für Menschen mit psychischen Erkrankungen ein.

Bis in die 1990er Jahre in Betrieb

Diese habe bis in die 90er das Kesselhaus geheizt, so Münzenmayer. Anfangs sei es zudem für Strom und Wasserversorgung zuständig gewesen – die Dampfmaschinen repräsentierten den Stand der Technik, stammten von der Gotthilf Kuhn, Maschinen- und Kesselfabrik, Eisen- & Gelbgießerei, Stuttgart-Berg, erste Dampfkesselfabrik Stuttgarts und Pionier der Industrialisierung. Jaworek unterstrich, dass die hohe räumliche und ästhetische Qualität auch bei einer Ortsbesichtigung im September 2013 festgestellt und fotografiert worden sei.

Entsprechend unterstützten bei der Veranstaltung die Anwesenden einen offenen Brief an Stadt, Gemeinderäte und Untere und Höhere Denkmalschutzbehörde. In diesem fordert die Geschichtswerkstatt Süd, die Öffentlichkeit über das Technische Kulturdenkmal zu informieren und sich – statt es abzureißen – stark zu machen für die Architektenoption, das Kesselhaus in den geplanten Neubau zu integrieren, oder eine andere substanzschonende Lösung.