Aus dem neuen Weltmarktführer bei Industriegasen wird erst einmal nichts. Der deutsche Platzhirsch Linde kann sich mit den Amerikanern von Praxair in wichtigen Fragen nicht einigen.

München - Die angebahnte Fusion der Industriegase-Konzerne Linde und Praxair ist geplatzt. Der Vorstand beendete die Verhandlung auf Drängen von Linde-Chef Wolfgang Büchele und den Kapitalvertreter im Aufsichtsrat, wie das Unternehmen am Montag mitteilte. „Während die strategische Sinnhaftigkeit einer Fusion grundsätzlich bestätigt wurde, hat sich bei der Erörterung von Detailfragen insbesondere der Governance gezeigt, dass keine übereinstimmende Auffassung erzielt werden konnte“, hieß es zur Begründung. Praxair bestätigte knapp das Ende der Gespräche. Die Linde-Aktie stürzte im Dax um gut acht Prozent ab.

 

Insidern zufolge konnten sich beide Seiten nicht über zentrale Fragen wie den Unternehmenssitz, die Standorte von Entwicklungsabteilungen und die Managementbesetzung einigen. „Der Linde-Standort München hätte nur noch eine marginale Rolle gespielt“, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. „Das konnte Büchele nicht vertreten.“ Auch die bayerische Staatsregierung hatte darauf gedrängt, dass der Standort mit starker Stellung erhalten bleibt. „Eine Fusion unter Gleichen ist generell schwierig einzufädeln, daher bestand ohnehin ein Risiko des Scheiterns“, sagte ein anderer Insider. „Die Gespräche sind definitiv vorbei.“ Dass ein anderer Partner an die Stelle von Praxair treten könnte, sei angesichts der Kartellsituation unwahrscheinlich.

Muss Linde-Spitze um Posten bangen?

Die Analysten von Liberum sehen das ähnlich. „Wir rechnen nicht damit, dass neue Kombinationen diskutiert werden“, schreiben sie. Die Experten werten das Scheitern nicht als Sternstunde für Linde-Chef Büchele und seinen Amtsvorgänger und Oberaufseher Wolfgang Reitzle. „Das Ende der Verhandlungen könnte bei Linde zu weitreichenderen Folgen führen, darunter der Abschied des CEOs oder des Aufsichtsratschefs, die sich erkennbar nicht grün sind“, schreiben die Liberum-Analysten. Der einstige, langjährige Chef Reitzle gilt bei Linde nach wie vor als der starke Mann. Seinen CEO-Posten, den er wegen einer Altersgrenze aufgeben musste, räumte er nur widerwillig und kehrte als Aufsichtsratschef so schnell wie möglich in die Konzernspitze zurück.

Die beiden Konzerne verhandelten seit mehreren Wochen hinter den Kulissen über eine Mega-Fusion. Mitte August wurden die Verhandlungen öffentlich. Linde wollte durch den Zusammenschluss wieder zurück an die Weltspitze im Markt für Industriegase. Die Bayern rutschten kürzlich auf Platz zwei ab, nachdem die französische Air Liquide den US-Konkurrenten Airgas gekauft hatte. Praxair macht nur etwa halb so viel Umsatz wie Linde, ist aber wesentlich profitabler. Zudem ist der Konzern aus Connecticut an der Börse höher bewertet als der deutsche Rivale. Praxair ist mit einem Umsatz von umgerechnet 9,6 Milliarden Euro nur etwa halb so groß wie Linde, mit einem Gewinn von umgerechnet 1,5 Milliarden Euro aber wesentlich profitabler. Die Deutschen erwirtschaften bei einem Umsatz von 18 Milliarden Euro nur 1,15 Milliarden Euro.

Analyst: Fusion hätte sich nicht gelohnt

Analyst Peter Spengler von der DZ Bank hatte damit gerechnet, dass der Zusammenschluss nicht klappt. „Unsere negative Einschätzung hat sich bestätigt“, urteilte er. „Wir waren nicht überzeugt, dass die Fusion sich für die Linde-Aktionäre gelohnt hätte. Es besteht aus unserer Sicht keine Notwendigkeit für einen Zusammenschluss in dieser Größenordnung.“ Praxair wurde vor Bekanntwerden der Fusionspläne mit umgerechnet 30 Milliarden Euro bewertet, zwei Milliarden höher als Linde. Die Transaktion sollte ein reiner Aktiendeal werden, ohne dass Geld geflossen wäre.

Die Gasebranche ist weltweit stark konsolidiert. Wäre die Fusion gelungen, wären nur noch drei große Industriegase-Anbieter übrig geblieben. Ein Knackpunkt wäre bei einer Fusion deshalb die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden gewesen. Schon beim Kauf des britischen Rivalen BOC 2006 erhielt Linde strenge Auflagen und musste in mehreren Ländern Geschäft an die Konkurrenz abgeben.