Während die deutsche Nationalmannschaft in Katar mit einer Niederlage gegen Japan in die Fußball-Weltmeisterschaft gestartet ist, beginnt in der Kulturkneipe Zom Täle das Alternativprogramm. Auch die ARD-Tagesthemen interessieren sich für den „Kick off in den Boykott“.

Als am Mittwochnachmittag um 14 Uhr im Khalifa International Stadium die deutsche und die japanische Nationalhymne gespielt werden, hört in der Kulturkneipe Zom Täle in Urbach keiner hin – und geguckt hat auch niemand. Stattdessen legt André Mayer pünktlich zum Anpfiff im Scheichreich Katar den AC/DC-Song „For those about to rock“ auf. Er habe die Hymne als passend für den „Kick off in den Boykott“ der Fußball-Weltmeisterschaft empfunden, erklärt der Kompagnon und DJ-Kollege von Michael Rapp aka DJ Rappi, dem Kneipenwirt. Und die Gäste feiern ihn dafür.

 

Ein Kamerateam des Südwestrundfunks filmt

Normalerweise rollt in der Kneipe Zom Täle bei einer Weltmeisterschaft auf allen vier Fernsehern der Ball. Diesmal filmt ein Kamerateam des Südwestrundfunks hier einen Beitrag, der am selben Abend in den ARD-Tagesthemen gesendet wird. Info-Flyer von Amnesty International liegen auf den Tischen, eine Spendenkasse der Menschenrechtsorganisation steht auf der Bar. „Wegschauen ist in dem Fall kein Wegducken“, sagt Frank Eppel, der mit Lennard Volk die Idee zu „Kultur kickt Katar“ hatte. Das Fifa-Theater um die „One-Love“-Binde hat die Macher bestärkt. Die Aktion der mutigen iranischen Fußballer, die bei der Hymne nicht mitsangen, hat aber auch Bewunderung geweckt. „Aber wir können diesmal nicht so unbeschwert feiern, wie wir das seit 1974 bei allen Weltmeisterschaften gemacht haben“, sagt Frank Eppel zur Eröffnung.

Das Zeichen, das die Urbacher mit ihrem rockigen Alternativprogramm zur WM setzen, wird gesehen. Martina Fehrlen, die Bürgermeisterin von Urbach, ist gekommen, um die WM-Rebellen aus dem Ort zu unterstützen. „Ich bin nicht wirklich Fußballfan, aber mir ist es wichtig, das Täle bei dieser Aktion zu unterstützen.“ Auch für sie habe diese Weltmeisterschaft mehr als nur ein Gschmäckle, sagt die Rathauschefin. „Es geht hier um Menschenrechte, und klimatisierte Stadien in Zeiten des Klimawandels gehen gar nicht“, sagt die 44-Jährige, während sie sich den Aufkleber von Amnesty International mit der Aufschrift „Alle Menschen schützen“ deutlich sichtbar auf ihr Kleid klebt.

Die Theke ist zum alternativen„Kick off“ gut gefüllt. Viele Stammgäste des Täles haben sich gegen die Partie Deutschland gegen Japan und für das Kontrastprogramm entschieden – aus guten Gründen. Wie Heiko Busse, der eigentlich Fußball „übelst liebt“ und Dauerkartenbesitzer beim VfB Stuttgart ist. „Dennoch interessiert mich diese Weltmeisterschaft nicht. Ich habe mir bis jetzt noch kein einziges Spiel angeschaut. Und ich finde die Aktion im Täle einfach geil.“

Der Inhaber des Eiscafés M1 in Urbach hat bei früheren Turnieren sogar Public Viewing gemacht. „Doch diesmal ist das Herz einfach nicht so dabei wie sonst“, sagt Heiko Busse. Bei ihm wolle sich diesmal auch einfach nicht dieses Fußballfieber einstellen, erzählt Nico Grockenberger und nimmt einen Schluck Bier. „Sonst hatte ich vor einer Weltmeisterschaft wochenlang schon riesige Vorfreude und habe mit meinen Kumpels ausgemacht, wo wir uns welches Spiel am besten anschauen. Das ist diesmal total anders.“

„Nicht wirklich Bock auf diese Weltmeisterschaft“

Auch Dennis Metzner ist am Mittwoch lieber ins Täle gekommen, als Fußball zu schauen. Der Sänger der Queen-Tribute-Band Under Pressure, die am Sonntag zum WM-Boykott aufspielt, während die deutsche Nationalmannschaft in Katar gegen die Spanier aufläuft, hat „nicht so wirklich Bock auf diese Weltmeisterschaft“. Ihr Auftritt, davon ist Dennis Metzner überzeugt, sei sicher ganz im Sinne von Freddie Mercury, dem verstorbenen homosexuellen Frontmann von Queen, der, wie er eigentlich auch, ein ziemlich großer Fußballfan gewesen sei.

Dass die deutsche Nationalmannschaft ihr Auftaktspiel gegen das Team aus Japan mit 1:2 verloren hat, ist für die WM-Boykotteure dann auch nur eine Randnotiz.

Die rockige Alternative zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar

Aktion
Ab Sonntag geht es in der Kneipe Zom Täle mit „Kultur kickt Katar“ weiter. Beginn ist jeweils um 20 Uhr, die Bands treten ohne Gage auf. Spenden und ein Teil der Einnahmen gehen an Amnesty International.

Termine
Am Sonntag, 27. November, spielen Under Pressure „A Tribute to Queen“, am Donnerstag, 1. Dezember, Second Page mit Classic-Rock-Covers. Am Dienstag, 6. Dezember, gastiert die Micha Minges Band in Urbach, am Freitag, 9. Dezember, The B-Movie Allstars, und am Samstag, 10. Dezember, die beautYfools mit progressivem Rock. Die Ralph „Balou“ Widmann Band gastiert am Dienstag, 13. Dezember, mit Pop and Rock im Täle, am Mittwoch, 14. Dezember, sind Cassandra light am Start, am Finaltag, am Sonntag, 18. Dezember, die Gitarrenlegenden Calo Rappalo und Frank Mühlberger. Mehr: www.kultur-kickt-Katar.de