Die Premier League droht, beim Kampf um internationale Talente künftig außen vor zu sein. Denn auswärtige Spieler brauchen eine Arbeitserlaubnis, also künftig auch alle aus EU-Ländern.

London - Big Ben wird nicht erklingen am Freitagabend um 23 Uhr britischer Zeit, wenn das Vereinigte Königreich seinen Austritt aus der Europäischen Union vollzieht. Der Glockenturm der Houses of Parliament wird gerade renoviert, die berühmte Glocke bleibt deshalb still. Der konservative Premierminister Boris Johnson regte an, sie für den historischen Augenblick in der Nacht auf Samstag läuten zu lassen, sein Parteikollege Mark Francois startete zu diesem Zweck sogar eine Spendenaktion und sammelte mehr als 270 000 Pfund, doch das Vorhaben scheiterte, weil es sich offenbar technisch gar nicht umsetzen lässt. Dafür läuten in der Premier League die Alarmglocken – so formuliert es eine Boulevardzeitung, die sonst jeglicher Brexit-Skepsis unverdächtig ist.

 

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Der EU-Austritt der Briten bringt für die populärste und reichste Fußballliga der Welt allerhand Unwägbarkeiten mit sich. Die Befürchtung ist, dass sie ihre Vormachtstellung verlieren könnte. Der Grund dafür sind strengere Regeln für den Import von Spielern aus EU-Ländern, die künftig in Kraft treten könnten. „Alle Maßnahmen, die den Fluss von ausländischer Qualität beschränken, könnten die Marktposition der Premier League schwächen und damit ihren Wettbewerbsvorteil untergraben“, sagte Simon Chadwick, Professor für Sportökonomie an der Salford University.

Aktuelle Spieler der Premier League sind nicht betroffen

Für die aktuell in England beschäftigten EU-Ausländer dürfte sich erst mal nichts ändern. Sie behalten ihre Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, genau wie alle rund drei Millionen Bürger aus EU-Staaten, die sich schon vor dem Ablauf der Übergangsfrist Ende des Jahres in England, Schottland, Wales und Nordirland befinden. Kompliziert werden könnte es für Spieler, die ab 2021 in die Premier League wechseln wollen.

Für sie könnten künftig die gleichen Beschränkungen gelten, die aktuell schon für Nicht-EU-Ausländer in Kraft sind. Diese Spieler sind auf die Zustimmung des englischen Verbandes FA angewiesen, um eine Arbeitserlaubnis im Vereinigten Königreich zu bekommen. Als Kriterium dafür gilt, welchen Platz das Herkunftsland in der Fifa-Weltrangliste belegt und wie erfahren der Spieler ist. Vereinfacht formuliert: Gestandene Nationalspieler aus dem EU-Ausland dürften keine Probleme bei einem Wechsel in die Premier League haben. Spitzenteams wie Jürgen Klopps Champions-League-Sieger, Tabellenführer FC Liverpool, oder Meister Manchester City mit Trainer Pep Guardiola sind von den neuen Regeln also weniger betroffen, weil sie ohnehin meist Hochkaräter verpflichten.

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Kleinere Vereine dürften es dagegen schwerer haben, denn sie sind oft auf weniger bekannte Fußballer angewiesen. Huddersfield Town stieg vor drei Jahren mit Spielern wie Christopher Schindler, Chris Löwe und Michael Hefele in die Premier League auf, Norwich City gelang im vergangenen Jahr das Gleiche mit Profis wie Mario Vrancic, Christoph Zimmermann, Tom Trybull und Marco Stiepermann. Brighton and Hove Albion verpflichtete vor drei Jahren Pascal Groß aus Ingolstadt. Ob die FA Profis dieser Kategorie künftig eine Arbeitserlaubnis ausstellt, ist fraglich. Auch aktuelle Stars wie N’Golo Kante (heute FC Chelsea) und Riyad Mahrez (heute Manchester City) wären unter den strengeren Auflagen möglicherweise nie in die Premier League gekommen. Sie waren noch relativ unbekannt, als sie einst zu Leicester City wechselten, wo sie sich einen Namen machten.

Geschichten, wie die von Paul Pogba, gibt es dann nicht mehr

Einen Nachteil könnten die englischen Clubs auch bei der Verpflichtung junger Fußballer aus dem EU-Ausland haben. Anders als noch im Moment dürften Spieler künftig erst mit 18 Jahren nach England wechseln. Rivalisierende Clubs aus EU-Staaten könnten Spieler auch weiterhin schon vor dem Erreichen der Volljährigkeit aufnehmen. Die Premier League droht, beim Kampf um internationale Talente künftig außen vor zu sein. Ein Beispiel wäre Paul Pogba, der schon im Alter von 16 Jahren aus Frankreich in die Akademie von Manchester United wechselte.

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Die FA versucht, den Brexit zu nutzen, um den heimischen Nachwuchs zu fördern. Sie will die Zahl der Ausländer in den Teams beschränken und den Anteil der in England ausgebildeten Spieler erhöhen. Davon soll langfristig auch die englische Nationalmannschaft profitieren. Die Premier League ist davon nicht begeistert. Sie will nicht, dass den Vereinen bei der Kaderplanung hereingeredet wird. „Brexit sollte nicht dafür genutzt werden, um die britischen Mannschaften zu schwächen oder die Möglichkeit zu beschränken, Spieler aus dem Ausland zu verpflichten“ – das ist der Standpunkt der Liga. Eine Einigung mit dem Verband scheint in weiter Ferne zu liegen. Nur weil der EU-Austritt in der Nacht zu Samstag vollzogen wird, heißt das noch lange nicht, dass alle Fragen geklärt wären.