Neun Teams liegen in der Fußball-Bundesliga nahezu gleichauf auf den ersten Plätzen. Woran das liegt? Wir haben nach Erklärungen gesucht.

Stuttgart - Kaum einer steigt so tief in die Fußball-Archive wie Arnd Zeigler. Beim WDR sind jede Woche mehrere Mitarbeiter damit beschäftigt, für die Kultsendung von der wunderbaren Welt des Fußballs die Verknüpfung zwischen Vergangenheit und Gegenwart mit Filmschnipseln, Tondokumenten oder Bildern möglichst unterhaltsam erlebbar zu machen. Am Sonntagabend genügte es jedoch, einfach die aktuelle Bundesliga-Tabelle einzublenden, um einen historischen Moment festzuhalten: Dass nach acht Spieltagen den Tabellenersten Borussia Mönchengladbach vom Neunten Bayer Leverkusen nur zwei Punkte trennen, gab es in der Bundesliga-Geschichte seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995 noch nie.

 

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Der geringste Abstand zu diesem Zeitpunkt stammt aus der Saison 2008/2009, als der Tabellenführer Hamburger SV (17 Punkte) vier Zähler vor dem Neunten 1. FC Köln lag. Der FC Bayern war damals wegen der Wirrungen unter Jürgen Klinsmann gar nicht in der oberen Hälfte vertreten. Den Titel holte sich am Ende der von Felix Magath meisterhaft gequälte VfL Wolfsburg, der zur Halbzeit noch auf Platz neun rangierte. Wiederholt sich solch eine verrückte Geschichte? „Ich sehe da schon noch Möglichkeiten für Bayern München, die Bundesliga wieder langweiliger zu machen“, tönte Bayern-Präsident Uli Hoeneß prompt am Montag.

Sogar der SC Freiburg mischt vorne mit

Die stark auseinanderdriftenden Budgets bedingen, dass sich die Spanne der Personaletats irgendwann im Tableau widerspiegelt. Aber aktuell bildet sich der 750-Millionen-Umsatz des Branchenprimus, zuletzt siebenmal in Folge Meister mit teils absurd großem Vorsprung, im Ranking eben nicht ab. Und weil Borussia Dortmund gerne Führungen verspielt und RB Leipzig viele Chancen vergibt, ist aus dem erwarteten Drei- ein Mehrkampf geworden. David Wagner, neuer Trainer des FC Schalke 04, unkte am Sonntag sogar: „Derzeit können sich ungefähr zwölf Mannschaften in der Fußball-Bundesliga Spitzenteam schimpfen.“

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Vorne hat sich fast anarchisch auch der SC Freiburg eingenistet, wo der gesamte Personalaufwand 2017/2018 laut DFL-Aufstellung gerade einmal 40 Millionen Euro betrug. Das Fachmagazin „Kicker“ stellt genüsslich fest, dass „die Teams in der oberen Hälfte so dicht beieinanderstehen wie ein Liebespaar beim innigen Hochzeitstanz“. Und wer fängt den Strauß am nächsten Wochenende? Am neunten Spieltag gibt es das Novum mit sieben Spielen, in denen ein neuer Tabellenführer gekürt werden könnte.

Joachim Löw ist die Breite nicht geheuer

Die einen bejubeln die neue Spannung an der Spitze, die anderen bemängeln das gesunkene Niveau der Liga. Wobei Joachim Löw eher zu den Kritikern zu rechnen ist. „Für die Fans ist die Liga ausgeglichen und spannend“, sagte der Bundestrainer unlängst im Dortmunder Fußballmuseum und deutete an, dass er mit dem gebotenen Niveau nicht ganz zufrieden ist. Nur: Wenn seine Nationalmannschaft selbst eine Talsohle durchschreitet, kann Löw schlecht den nörgelnden Besserwisser geben.

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Hat die immer ähnlichere Herangehensweise vieler Teams mit frühem Pressing, schnellem Umschalten und hoher Intensität dazu geführt, dass die individuellen Unterschiede in diesem kollektiven Zwang verschwimmen? Die Bundesliga-Neulinge Marco Rose (Mönchengladbach), Oliver Glasner (Wolfsburg) oder David Wagner (Schalke) pflegen als Trainer allesamt diesen Ansatz. Das Führungsduo vom Niederrhein und aus Niedersachsen verkörpert nicht nur defensive Stabilität (erst sieben beziehungsweise fünf Gegentore), sondern auch gepflegtes Understatement. Weil der Höhenflug doch nur eine Momentaufnahme darstellt?

International ist der FC Bayern der beste deutsche Club

Beide Clubs müssen genau wie Eintracht Frankfurt noch die Belastung durch die Europa League schultern. Apropos Europapokal: Bislang fällt die Ausbeute für die sieben deutschen Starter mit sechs Siegen, drei Unentschieden und fünf Niederlagen durchwachsen aus. Soll die neue Ausgeglichenheit der Liga auch ein Zeichen der Stärke sein, braucht es mehr Konstanz.

In der Champions League stehen für Leverkusen bei Atletico Madrid, Dortmund bei Inter Mailand und Leipzig gegen Zenit St. Petersburg wegweisende Spiele an. Immerhin auf dieser Bühne ist der FC Bayern vor seinem Gastspiel bei Olympiakos Piräus der bislang beste Repräsentant des deutschen Fußballs. Wie so oft in den vergangenen Jahren. Alles ist im Herbst 2019 eben doch nicht anders.