Marco Fritz startet erstmals als Schiedsrichter des Jahres in die neue Bundesliga-Saison. Der 42-Jährige aus Breuningsweiler ist hoch geschätzt bei Spielern wie Trainern – und nicht nur mit der Pfeife erfolgreich.

Stuttgart - Das jährliche Sommertrainingslager der 22 Bundesliga-Schiedsrichter in Grassau am Chiemsee ist auch in diesem Jahr eine schweißtreibende Angelegenheit gewesen. Sprints und Dauerläufe, Leistungstests und Regelkunde – Routine für Marco Fritz, der seit inzwischen zwölf Jahren zur Elite der deutschen Unparteiischen zählt. Und doch war diesmal alles ganz anders.

 

Einer der weniger anstrengenden Programmpunkte der fünftägigen Zusammenkunft war die Kür des Schiedsrichters des Jahres, bei der Fritz bisher immer einem der Kollegen Beifall gespendet hatte. Nun aber war es zu seiner großen Überraschung erstmals der zurückhaltende Mann aus dem Schwäbischen selbst, der im Mittelpunkt stand. Von Lutz Michael Fröhlich bekam er die begehrte Auszeichnung verliehen – wegen starken Leistungen in der vergangenen Saison, verbunden mit „seiner Persönlichkeit und seinem hohen Maß an Sozialkompetenz, die er nicht nur in seinen Spielleitungen einbringt“, wie der Sportliche Leiter der deutschen Elite-Schiedsrichter erklärte.

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Er habe nie damit gerechnet, sagt Marco Fritz, als der Privatkundenberater der Deutschen Bank ein paar Tage später in seinem Büro in der Stuttgarter City hinter einer Corona-Plexiglasscheibe sitzt. Umso größer sei seine Freude gewesen. „Ich empfinde diese Auszeichnung als tolle Bestätigung, auf die ich sehr stolz bin.“

Für Marco Fritz (42), geboren in Korb, aufgewachsen und noch immer wohnhaft im Winnender Teilort Breuningsweiler, ist es der (vorläufige) Höhepunkt seiner Schiedsrichterkarriere, die vergleichsweise spät begann. Er war schon 20 und kickte mit eher überschaubarem Talent in der zweiten Mannschaft des örtlichen Sportvereins, als händeringend ein neuer Schiedsrichter gesucht wurde. Fritz ließ sich überreden, machte die nötige Ausbildung und begann, samstags Jugendspiele zu pfeifen, um an den Sonntagen weiterhin bei den Aktiven in der Kreisliga mitspielen zu können.

„Eigentlich wollte ich ja lieber weiter mit meinen Kumpels kicken.“

Doch fiel sein Talent als Spielleiter den Beobachtern vom Württembergischen Fußball-Verband (WFV) schnell auf. Fritz wurde zu Höherem berufen und musste sich entscheiden. „Eigentlich wollte ich ja lieber weiter mit meinen Kumpels kicken.“ Er rang sich trotzdem dazu durch, der Schiedsrichterei den Vorzug zu geben. Eine weise Entscheidung, denn „als aktiver Fußballer hätte es bei mir nicht für die höheren Spielklassen gereicht“.

In seiner neuen Funktion hingegen folgte ein rasanter Aufstieg. Liga für Liga arbeitete sich Fritz nach oben, wurde 2006, nach neun Jahren, DFB-Schiedsrichter, erreichte 2008 die zweite Liga und leitete ein Jahr später, mit 31, seine erste Bundesliga-Partie. Dritter Spieltag, SC Freiburg gegen Bayer Leverkusen (0:5), er war „wahnsinnig nervös“ und kann sich noch gut daran erinnern, dass Arturo Vidal, der Mittelfeldabräumer aus Chile, vom damaligen Bayer-Trainer Jupp Heynckes schon nach einer halben Stunde gelb-rot-gefährdet vom Feld geholt wurde.

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Seither sind 152 Bundesliga-Einsätze dazugekommen, in denen sich Fritz mit seiner unaufgeregten Art zu einem bei Profis wie Trainern hochgeschätzten Spielleiter entwickelt hat. 2016 durfte er das DFB-Pokal-Finale zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund (4:3 nach Elfmeterschießen) im Berliner Olympiastadion leiten – eine der höchsten Auszeichnungen für deutsche Schiedsrichter.

Seit 2012 gehört der Bankkaufmann in Teilzeit zudem zum erlauchten Kreis der Fifa-Referees und pfeift auch auf internationaler Bühne. Europapokal, Länderspiele, bei der EM 2016 in Frankreich war er Assistent von Felix Brych und als Torrichter im Einsatz. Das Reisen, die neuen Länder und Bekanntschaften seien der eine große Reiz des Schiedsrichter-Daseins. Der andere: „Man ist fester Bestandteil des Fußballs, für den sich Millionen von Menschen interessieren“, sagt Fritz und hofft, dass möglichst bald wieder Zuschauer zugelassen werden: „Es gibt auch nach so vielen Jahren wenig Aufregenderes, als in ein volles Stadion einzulaufen.“

Marco Fritz ist auch als Funktionär erfolgreich

Am Wochenende startet Fritz in seine zwölfte Saison als Bundesliga-Schiedsrichter (welches Spiel er pfeift, stand bis Donnerstagabend noch nicht fest). Er ist der Stolz des SV Breuningsweiler, den er durch seine Tätigkeit auch bundesweit bekannt gemacht hat. Inzwischen ist er nicht mehr nur das Aushängeschild seines Heimatvereins, sondern auch der Sportvorstand. Fritz will mithelfen, die erste Fußballmannschaft in die Verbandsliga zu führen – und ist auf dem besten Wege. Die Bilanz des Saisonauftakts, den der prominente Funktionär dank der verlängerten Corona-Pause im Profifußball ausnahmsweise am Spielfeldrand verfolgen konnte: fünf Spiele, fünf Siege, Tabellenplatz eins. Es könnte also nicht besser laufen für Marco Fritz, den neuen Primus unter den deutschen Schiedsrichtern.