Zwei Herausforderungen gibt es diese Saison für die Verantwortlichen von Paris St. Germain: die Diven im Angriff zähmen und die Königsklasse gewinnen. Helfen soll dabei ein Torwart.

Madrid/Paris - Real Madrids Präsident Florentino Pérez ist normalerweise nicht so der gefühlige Typ. Bei der Delegiertenversammlung am Sonntag war das jedoch anders, als er unter den Neuzugängen den im Tausch von Paris St. Germain gekommenen Torwart Alphonse Areola auflistete – und hinzufügte: „Anstelle unseres geliebten Keylor Navas!“ Spontan brandete Beifall auf, Pérez musste eine Pause machen.

 

An diesem Mittwoch (20.45 Uhr/Sky) wird es noch mehr Liebeskummer geben, denn der Rekordchampion gastiert in der Champions League bei Navas’ neuem Verein, wo sie das Verhandlungsgeschick ihres Managers Leonardo kaum fassen können. Für 15 Millionen Euro Ablöse und die einjährige Ausleihe Areolas hat er Trainer Thomas Tuchel einen Weltklasse-Keeper mit einmaliger Statistik hingestellt: Wann immer Navas in der Champions League die Nummer Eins war – 2016, 2017, 2018 –, gewann sein Team den Titel. Von zwölf K.-o.-Runden hat er keine verloren. Angesichts der jahrelangen Unsicherheiten auf der Torwartposition mit Areola, Kevin Trapp oder dem alternden Gianluigi Buffon sowie seiner pathologischen Champions-League-Blockade hat der PSG zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Keylor, das fehlende Puzzlestück?

Doch ist Invictus Keylor tatsächlich das fehlende Puzzlestück, das das Bild vollendet? Am Samstag beim Debüt gegen Straßburg hielt der 32-Jährige sein Team schon mal so lange im Spiel, bis Neymar mit einem Seitfallzieher zum 1:0-Sieg in der Nachspielzeit seine Wiederauferstehung nach dem Sommertheater feierte – um den pfeifenden PSG-Fans danach den Fehdehandschuh hinzuwerfen: „Für mich wird diese Saison jedes Spiel ein Auswärtsspiel.“

Fast schon gut also, dass der Brasilianer in der Champions League wegen Schiedsrichterbeleidigung gesperrt ist, wobei der internationale Sportgerichtshof (Cas) die Sanktion am Dienstag von drei auf zwei Spiele reduzierte. Tuchel fehlen heute außerdem in den verletzten Kylian Mbappé und Edinson Cavani zwei weitere Sturmgranden.

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„Pura vida“ wird Navas zu diesen Umständen womöglich sagen – „das pure Leben“. An diesen Lieblingssatz erinnerten in ihren Abschiedsbotschaften zahlreiche Real-Profis. „Viel Glück in Paris, obwohl du es nicht brauchen wirst: deine Mentalität, dein Arbeitsethos und deine Menschlichkeit sprechen für dich“, meinte Kapitän Sergio Ramos. Und Nacho schrieb: „Das Beste, was einem im Fußball passieren kann, sind Leute wie du, ich werde unsere Gespräche voller Kraft und Motivation vermissen.“

Ein Christ mit mystischer Aura

Wenige Spieler haben auf Reals historischen Champions-League-Hattrick so beseelenden Einfluss gehabt wie Navas, der tiefgläubige Christ mit der leicht mystischen Aura. In seiner Karriere musste er etliche Ungerechtigkeiten überwinden. Aus Costa Rica kam er 2010 als Ersatzkeeper zum spanischen Zweitligisten Albacete und wechselte als ebensolcher zwei Jahre später für 150 000 Euro zu Erstligist Levante. 2014 wurde er nach seiner ersten vollen Saison als bester Keeper der Liga ausgezeichnet und führte sein kleines Land bis ins WM-Viertelfinale. Dennoch holte ihn im selben Jahr auch Real Madrid nur als Ersatz.

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Dass er selbst nicht ganz unschuldig ist an dem Torwarttausch mit dem PSG, hat Präsident Pérez am Sonntag natürlich verschwiegen. In Madrid weiß es trotzdem jeder. Nie war ihm Navas glamourös genug, ständig versuchte er, ihm andere Keeper vor die Nase zu setzen. Zum Beispiel 2015, als Navas schon am Flughafen auf eine Maschine nach Manchester wartete, ehe eine verspätete Dateneingabe ins Fifa-Transfersystem den Tausch mit Uniteds David De Gea verhinderte. 2018 war Pérez dann am Ziel, als Chelseas Thibaut Courtois billig verfügbar wurde. Der Belgier kam als „bester Torwart der WM“, eine dieser Etiketten, die Pérez so gut gefallen, und er ist fünf Jahre jünger. Die Klasse und Ausstrahlung von Navas zeigt er bei Real bislang nicht, doch Trainer Zinédine Zidane fügte sich der Clubpolitik und erklärte ihn zur Nummer Eins.

Der gute Geist bei Paris

Navas aber ist zu gut, um nicht zu spielen, das tut er jetzt in Paris. Dort wird er auch als guter Geist eine Menge zu tun haben, denn im PSG-Angriff gibt es nicht mehr nur die Diva Neymar und den Kronprinzen Mbappé, sondern seit diesem Sommer auch noch den bei Inter Mailand in Ungnade gefallenen Mauro Icardi mit seiner berüchtigten Spielerfrau Wanda. Die beiden haben sich mit dem Ehepaar Navas bei einer  Stadtrundfahrt bereits angefreundet. Bringt Navas nun also in Paris alle unter einen Hut? Dagegen ist der Gewinn der Königsklasse fast schon eine läppische Herausforderung.