Der Bundestrainer Joachim Löw geht den Confed-Cup mit jungen Nationalspielern an und denkt dabei in großen Linien. Denn über allem steht die WM-Mission 2018 in Russland.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Reiner Calmund hat sich gut und gerne erinnert. Obwohl das Ganze ja schon zwölf Jahre her ist und sich der Konföderationen-Pokal nicht gerade im kollektiven deutschen Fußballgedächtnis eingenistet hat. Denn es gehört zu diesem Turnier des Weltverbandes, dass immer nur die teilnehmenden Teams sich kurz mit ihm auseinadersetzen. Meistens wird dabei über Sinn und Unsinn der Fifa-Veranstaltungsreihe diskutiert, die viele Fachleute und Fans als lästig empfinden.

 

Doch als der heute 68-jährige Calmund vor einer Woche beim Länderspiel in Nürnberg vorbeischaute, da erzählte der frühere Manager von Bayer Leverkusen launig über den 25. Juni 2005. Brasilien hieß damals der Gegner und nicht San Marino, das Halbfinale des Confed-Cups und nicht ein WM-Qualifikationsspiel wurde im Frankenstadion ausgetragen. 2:3 verlor die deutsche Mannschaft gegen den damaligen Weltmeister. Und dennoch waren alle froh. Auf der einen Seite zauberten die Weltstars Kaká, Ronaldinho, Robinho und Adriano, auf der anderen Seite hielten Robert Huth, Fabian Ernst und Arne Friedrich dagegen. Zum deutschen Kader zählten aber auch Thomas Brdaric und Mike Hanke.

Die Mini-WM als Durchgangsstation

Es war die Zeit, als der alt hergebrachte deutsche Fußball erstmals als Projekt begriffen und in die Moderne überführt wurde. „Das Wetter war schön und die Begeisterung groß“, sagt Calmund. Ein gewisser Jürgen Klinsmann als Bundestrainer sowie sein Taktiktüftler Joachim Löw schoben diese Fußballrevolution an und lösten einen Stimmungswandel in der Bevölkerung aus. Alles mit freudigem Blick auf die anstehende WM 2006 im eigenen Land.

Heute wartet Klinsmann in Kalifornien auf eine neue Traineraufgabe und Löw beschäftigt sich noch immer mit Abwehr- und Angriffsreihen, aber der oberste deutsche Fußballlehrer denkt auch in großen Linien, in „Zwei- oder Vierjahreszyklen“, wie es er bezeichnet. Dem Rhythmus der großen Turniere entsprechend. So bildet für den Weltmeistercoach die WM-Endrunde 2018 in Russland den nächsten Höhepunkt, die aktuelle Mini-WM in dem Riesenreich ist nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zur angepeilten Titelverteidigung.

Mit einem Perspektivkader geht Löw die Sache an, die am Montag (17 Uhr/ZDF) mit dem Gruppenspiel gegen Australien beginnt. Klingt ja auch viel besser als B-Formation, weil Edelkicker wie Toni Kroos, Mesut Özil, Mats Hummels, Jerome Boateng, Thomas Müller, Manuel Neuer und Mario Gomez verletzt fehlen oder geschont werden – was den Gastgeber irritiert, aber für Löw unabdingbar ist: „Es braucht Veränderungen in einer Mannschaft.“

Voller Vorfreude

Als abschreckendes Beispiel dient ihm Spanien, dass den Umbruch als Welt- und Europameister versäumte und 2014 in der WM-Vorrunde ausschied. Aus der Not als Weltmeister beim Confederations Cup (von diesem Samstag an bis 2. Juli) antreten zu müssen, hat der 57-Jährige deshalb eine Tugend gemacht und das Team mit Ausnahme des 29-jährigen Stürmers Sandro Wagner verjüngt. Nachwuchshoffnungen wie Timo Werner und Leon Goretzka gehören dem 21-köpfigen Kader ebenso an wie die noch immer jungen Julian Draxler und Shkodran Mustafi, denen aber neue Rollen zugeschrieben werden. Ansonsten eher Ergänzungsspieler im erlauchten Kreis der Besten sind sie zu Führungskräften auserkoren.

„Ich bin jetzt aber kein anderer Mensch und halte 20-minütige Ansprachen, nur weil ich die Kapitänsbinde trage“, sagt Draxler, der seine Hauptfunktion auf dem Rasen sieht – und nicht außerhalb. Im Test gegen Dänemark (1:1) und im Pflichtspiel gegen San Marino (7:0) hat das geklappt, aber in Russland folgt der Stresstest für Draxler und Co. Dieser soll die Frage beantworten, wie viel Zukunft in dieser Auswahl steckt. Doch was aus der bunt gemischten Wundertüte herauskommt, wagt selbst Löw nicht zu prognostizieren. Nur soviel: „Man spürt die Vorfreude auf das Turnier und den Ehrgeiz der Spieler, es bestmöglich zu machen.“ Der Bundestrainer erwartet sich von den Feldversuchen in Sotschi, St. Petersburg und Kasan, dass sich einige Talente als Herausforderer der etablierten Kräfte hervortun.

„Wir sind da, um uns zu zeigen und möglichst weit zu kommen“, sagt Draxler, der mit Löw im Vorfeld des Confed-Cups über einen Verzicht gesprochen hatte. Denn der 23-jährige Mittelfeldspieler hatte anfangs beim VfL Wolfsburg und durch seinen Wechsel zu Paris St. Germain eine schwierige Saison hinter sich zu bringen. „Es war aber eine Selbstverständlichkeit, dass ich für Deutschland und für Joachim Löw zur Verfügung stehe“, sagt Draxler.

Der Bundestrainer hat ihn stets gestützt und wie seine Mitstreiter begreift der Kapitän den von vielen als Fußballferienfüller abgewerteten Confed-Cup als Chance – und nun wollen sie beherzt zupacken. Wie vor zwölf Jahren Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski oder Per Mertesacker. Sie belegten – wie Reiner Calmund weiß – den dritten Platz und gehörten einer Generation an, die sich 2005 nach vorne schob und neun Jahre später beim WM-Triumph in Brasilien immer noch dabei war.