Für den Stürmer ist die EM in Frankreich beendet – und Bundestrainer Joachim Löw hat noch andere Sorgen.

Bordeaux - Was war der Mann glücklich. Gerade hatte er mit einem brillanten Pass die italienische Abwehr ausgehebelt, der Kollege Mesut Özil hatte dadurch im Viertelfinale der EM das 1:0 für das deutsche Team erzielen können, und als er am Samstagabend wenig später leicht angeschlagen vom Platz trottete, riefen die Fans seinen Namen. Beseelt winkte Mario Gomez ins Publikum. Und das Glück schien vollkommen, als das deutsche Team den Elfmeterkrimi gegen Italien gewonnen hatte. Das Halbfinale war gebucht. Der Traum, am eigenen Geburtstag (Sonntag, 10. Juli) das EM-Finale zu spielen, lebte – und erstarb am tag danach jäh.

 

„Leicht angeschlagen“ ist seit Sonntagnachmittag nicht mehr der Zustand , der für Mario Gomez zutreffend ist. Die Diagnose ist nun viel niederschmetternder: Der Stürmer, der sich gerade den Ruf des Unersetzlichen im deutschen Angriff erarbeitet hatte, kann wegen eines Muskelfaserrisses bei dieser Europameisterschaft in Frankreich kein Spiel mehr bestreiten. „Besonders für Mario tut es mir leid“, sagte Bundestrainer Joachim Löw. Den noch andere Sorgen plagen.

Auch Khedira und Schweinsteiger sind angeschlagen

Gomez’ Ausfall für das Halbfinale am Donnerstag (21 Uhr) ist ebenso fix wie der von Mats Hummels, der gelbgesperrt fehlt. Dazu steht hinter dem Einsatz von Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger ein dickes Fragezeichen. Khedira musste im Spiel gegen Italien schon nach 16 Minuten ausgewechselt werden. Ihn schmerzten die Adduktoren des linken Oberschenkels – und am Sonntag gab es bereits Meldungen, der Mittelfeldspieler von Juventus Turin würde nicht mehr spielen können während dieser EM. Vor zwei Jahren hatte der ehemalige Stuttgarter bereits das WM-Finale wegen einer Wadenverletzung kurzfristig verpasst. Nun hieß es von Seiten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der Heilungsverlauf sei „nicht exakt zu definieren“. Gleiches gelte für Bastian Schweinsteiger.

Der in dieser Saison lange verletzte Kapitän hatte sich an Khediras Stelle am Samstag „sehr gut ins Spiel reingearbeitet“, lobte Löw. Zwar merkte man ihn vor allem in der Verlängerung seine lange Pause an, dennoch ließ er alte Klasse aufblitzen. Zugleich zog er sich aber eine Außenbandzerrung im linken Knie zu, er hatte einen Schlag abbekommen. Immerhin: Für das Halbfinale und ein mögliches Endspiel am Sonntag in Paris besteht noch Hoffnung. Die Mario Gomez begraben musste.

Löw muss umdisponieren

Der Angreifer hatte nach unglücklichen und verletzungsreichen Jahren bei Besiktas Istanbul Form und Gelassenheit wiedergefunden, wurde in der Türkei Meister und Torschützenkönig und bewies auch in der Nationalmannschaft seine wiedererlangte Topform. „Er hat starke Leistungen gezeigt und der Mannschaft nicht nur mit seinen Toren geholfen“, sagte Löw. Gegen Nordirland und die Slowakei hat der 30-Jährige getroffen, gegen Italien glänzte er lange als unermüdlicher Arbeiter und Vorbereiter. Galt er zu Beginn des Turniers noch als Alternative, so war er spätestens nach dem Viertelfinale nicht mehr wegzudenken aus der deutschen Startelf. Doch nun muss Joachim Löw umdisponieren.

„Es ist sehr bitter, wenn in der entscheidenden Phase des Turniers wichtige Spieler ausfallen“, sagte Löw, der gedanklich schon die neu entstandene Problematik durchgeht: „Für uns heißt das, dass wir die neue Situation annehmen und Lösungen finden müssen.“ Seinen Kampfgeist hat er trotz der schlechten Nachrichten aus der medizinischen Abteilung allerdings noch lange nicht verloren. „Die Qualität des Kaders ist hoch – wir werden am Donnerstag bereit sein und freuen uns auf das Halbfinale in Marseille.“ Mario Gomez wird diese Freude nicht recht teilen können – sein möglicher Beitrag wird bescheiden sein: mehr als Daumendrücken ist nicht drin.

Hier geht’s zu unserem EM-Online-Special