Alexander Merkel (20) ist beim VfB Stuttgart groß geworden und spielt seit vier Jahren in Italien – zusammen mit Stars wie Antonio Cassano und Andrea Pirlo.

Stuttgart - Alexander Merkel (20) kennt den italienischen Fußball genau. Nach seiner Zeit beim VfB Stuttgart wechselte er in die Seria A. Deshalb verfolgt er das Halbfinale besonders gespannt.
Herr Merkel, Sie sind Kasache und Deutscher – und spielen in Italien. Wem drücken Sie im Halbfinale den Daumen?
Ich hoffe, dass Deutschland einen Tick besser ist, obwohl Italien einen starken Eindruck macht und mich positiv überrascht hat – vor allem weil sie unter schwierigen Voraussetzungen angetreten sind.

Sie sprechen von dem Wettskandal, der vor der EM publik wurde und in den sogar Nationalspieler verwickelt sein sollen?
Ja, der Verteidiger Domenico Criscito wurde deshalb sogar aus dem Kader gestrichen. Diese Geschichte überlagerte alles. Das lief den ganzen Tag im Fernsehen, 24 Stunden lang. Es war heftig.

Als das Turnier begonnen hat, war aber schlagartig alles vorbei.
Stimmt, plötzlich ist es ganz still geworden. Das haben die Italiener gut ausgeblendet und sich auf das Sportliche konzentriert.

Was hat Sie denn an der italienischen Mannschaft bisher am meisten überrascht?
Die offensive Spielweise – sogar gegen Spanien. Da sieht man die Handschrift des Trainers Cesare Prandelli. Und dann gibt es noch zwei absolute Weltklassestürmer.

Das sind Mario Balotelli und Antonio Cassano, den Sie aus der gemeinsamen Zeit beim AC Mailand bestens kennen. Was zeichnet Cassano konkret aus?
Fußballerisch gehört er zu den Allerbesten. Er kann ein Spiel aus dem Nichts entscheiden. Wenn er antritt, passiert immer etwas. Außerdem ist er ein sehr lustiger Spieler, der schon morgens beim Training gut drauf ist. So einen braucht jede Mannschaft.

Gelegentlich tappt er aber auch in Fettnäpfchen und provoziert – wie bei der EM, als er sich negativ über Homosexualität äußerte.
So ist er halt. Er sagt jedem direkt ins Gesicht, was er denkt.

Im November erlitt Cassano einen Herzinfarkt und musste operiert werden. Hat ihn diese Erfahrung verändert?
Er wusste damals nicht einmal, ob er jemals wieder auf dem Platz stehen kann. Ich denke, deshalb schätzt er den Fußball jetzt umso mehr. Aber als Typ ist er derselbe geblieben. Der Spaßfaktor ist bei ihm nach wie vor hoch. Er kann gar nicht anders.

Der überragende italienische EM-Spieler ist Andrea Pirlo. Auch mit ihm standen Sie bei Milan in einem Team.
Pirlo ist einfach Fußball. Es ist unglaublich, was er mit dem Ball anstellen und wie er Situationen vorhersehen kann. Den Mut zu haben, einen Elfmeter so raffiniert zu verwandeln wie er gegen England – das ist ganz hohe Kunst und macht mich sprachlos. Ich bin glücklich, dass ich mit einem wie ihm zusammenspielen durfte. Jeden Tag konnte ich von ihm lernen. Das war ein Erlebnis.

Wie hat sich der Weltstar Pirlo dem Jungspund Merkel gegenüber verhalten?
Total nett und hilfsbereit.Er hat mich vom ersten Tag an als Kollegen akzeptiert und mir viele Tipps gegeben, was ich verbessern kann.Er ist ein Vorbild für mich geworden.

Was sind Ihre nächsten Pläne, da es in Italien momentan heißt, dass der AS Rom Sie verpflichten will?
Das ehrt mich natürlich, weil der AS Rom ein großer Club ist. Aber ich habe einen Vierjahresvertrag in Genua unterschrieben. Mal abwarten, was geschieht.