Keiner feiert so schön wie die Italiener. Während die deutschen Fußball-Anhänger nun Trauer tragen, gibt’s nach italienischen Siegen wilde Autokorsi.

Digital Desk: Lotta Wellnitz (loz)

Stuttgart - Fußball WM 2006. Italien schlägt Gastgeber Deutschland im Halbfinale 2:0 und wird dann durch einen Sieg gegen Frankreich Weltmeister. Piero Cuna weiß noch genau, was er damals gefühlt hat: Pure Freude! Die ging sogar so weit, dass der Restaurantbesitzer mit Freunden und Familie im Brunnen am Stuttgarter Schlossplatz ein Bad nahm. Ob er das noch mal macht, wenn Italien Europameister wird, weiß er noch nicht. Aber feiern wird er, keine Frage – und die Chancen dazu stehen gut.

 

Wenn die Squadra Azzurra spielt, ist sein Restaurant voll

Italien hat sich am Freitagabend gegen Top-Favorit Belgien durchgesetzt und steht nun im Halbfinale der Europameisterschaft. Nach vielen weniger erfolgreichen Jahren blüht die Mannschaft jetzt auf und sorgt in ganz Italien für Glücksgefühle. Und auch in Stuttgart ist die Euphorie groß.

Piero Cuna, der seit 37 Jahren in Deutschland lebt, spürt den italienischen Nationalstolz hier ganz besonders. Wenn die Squadra Azzurra spielt, ist sein Restaurant gefüllt. Beamer und Leinwand werden aufgebaut, die 150 erlaubten Gäste stehen auf den Tischen und fiebern mit. Der Wirt hat Gänsehaut, wenn er an die Stimmung denkt. Der Deutsch-Italiener, der aus Lecce, einer Stadt in der süditalienischen Region Apulien kommt, ist überzeugt, dass der Nationalstolz außerhalb Italiens noch größer ist, als im Land selbst.

Sossio Romanos Fußballherz schlägt für den VfB – aber auch für Italien

Das sieht Angela De Cato, Friseurmeisterin aus Leonberg, ähnlich. Sie sagt, Italiener feiern in Italien nicht jedes Spiel, hier schon: „Sie lechzen nach italienischem Feeling.“ Es gibt aber noch eine andere Erklärung, meint Sossio Romano aus Ditzingen. Der Autosattler bei Porsche in Zuffenhausen glaubt, dass dabei auch die Rivalität zwischen Deutschland und Italien eine Rolle spielt. Auf die Frage, ob er sich ein Aufeinandertreffen beider Länder gewünscht hätte, antwortet er: „Lieber nicht.“ Das wäre für sein Fußballerherz sehr schwer geworden. Romano wurde in Deutschland geboren, ist VFB-Fan. Bei der Europameisterschaft wäre er dann aber doch „eher für Italien“. Genau wie seine zehnjährige Tochter drückt er dem Nationalteam die Daumen. Das heißt dann: Autokorso, Fanfaren und Jubel.

„Die Mannschaft spielt wieder wie ein Team“

Für Restaurantbesitzer Cuna gibt es einen Grund, warum Italien bei dieser EM so erfolgreich ist: Sie sind endlich wieder ein Team – und spielen eben auch genau so. Trainer Roberto Mancini hat aus vielen Einzelspielern wieder „eine Mannschaft geformt“. Da spielt „jeder für jeden“, meint Cuna. Dem stimmt Romano zu. Er ist davon überzeugt, dass gerade „einfach alles stimmt“. Das zeigt sich auch in den Ergebnissen der vergangenen Spiele: 32 Partien ohne Niederlage, dazu kommen sieben Tore im laufenden Turnier. Über so viel Offensiv-Power freut auch Friseurmeisterin De Cato, die eigentlich kein Fußballfan ist. Das Spiel der Italiener „hat sich verändert“, sie kämpfen wieder und spielen anschaulich „nach vorne“, so De Cato.

Piero Cuna tippt auf 2:0

Wenn die Squadra Azzurra an diesem Dienstag gegen Spanien spielt, werden alle drei Stuttgarter mit der ganzen Familie gebannt vor dem Fernseher sitzen. Vor allem die Kinder sind im EM-Fieber, meint De Cato. Die lieben das Feiern inklusive Autokorso. Für De Cato ist es „einfach ein schönes Gefühl“, so viele glückliche Menschen in Italientrikots zu sehen. Vor allem, weil das Land in der Pandemie so gelitten habe, sagt die Leonbergerin. Nach „Drama, Leid und schlechten Nachrichten“ würde Italien durch den EM-Titel „etwas zurückbekommen“. Bis dahin sind es aber noch zwei Spiele, sagt Autosattler Romano. Die Chancen, im Halbfinale stehen 50/50, „im Fußball weiß man ja nie“, so Romano. Restaurantbesitzer Cuna ist da optimistischer. Er tippt auf ein 2:0 für Italien.

Alle drei wünschen sich natürlich, dass ihre Mannschaft am 11. Juli Europameister wird. Das wird dann mit einem Feuerwerk gefeiert, sagt Romano – oder mit einem Sprung in den Brunnen am Schlossplatz.