Das Ausscheiden der deutschen Fußballerinnen im Viertelfinale gegen Schweden hängt nicht nur mit fehlendem Spielglück zusammen, dennoch darf die Trainerin bleiben.

Rennes - Abschied nehmen fällt immer schwer. Gerade wenn eine Herberge so idyllisch liegt wie das Domaine de Cicé-Blossac in den Ausläufern der Vilaine, dem verschlungenen Fluss in der Bretagne. Start- und Endpunkt der WM-Mission für die deutschen Fußballerinnen, von denen ein Teil am Sonntagmorgen direkt vor dem Salon in den Mannschaftsbus einstieg, der seine Insassen zum Bahnhof in Rennes fuhr, ehe e s mit dem TGV über Paris in die Heimatorte ging. Der einstige Trendsetter und zweifache Weltmeister Deutschland ist nur Zuschauer, wenn die Finalwoche in Lyon steigt. England und USA sowie Niederlande und Schweden bestreiten die beiden Halbfinals, das Endspiel folgt am Sonntag (17 Uhr). Die DFB-Frauen hingegen stehen nach dem 1:2 im Viertelfinale gegen Schweden als Verlierer dar.

 

„Es war eine kurze und lange Nacht, weil man nicht gut einschläft“, bekannte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Dzsenifer Marozsan, die Starspielerin von Olympique Lyon, humpelte in aller Frühe zum Taxi, sie will sich die restlichen Spiele „zu Hause anschauen“. Nicht in Lyon im Stadion, sondern am Fernseher in Saarbrücken. Die Stimme der 27-Jährigen stockte, aber Zweifel an der grundsätzlichen Ausrichtung äußerte sie nicht. „Die Mannschaft hat viel Potenzial und wird zusammenwachsen.“ So wie ihre gebrochene Mittelzehe des linken Fußes.

Marozsan war unter Steffi Jones die Kapitänin, als die DFB-Frauen bei der EM 2017 gegen Dänemark (1:2) im Viertelfinale verloren. Nun in Rennes war derselbe Systemausfall zu besichtigen: Ein Gegentor genügte, um den Stecker zu ziehen. Nach der Führung von Lina Magull (16.) drehten Sofia Jakobsson (22.) und Stina Blackstenius (48.) das Blatt.

Nur drei Europäer nach Tokio

Bei allen Protagonisten wäre das Eingeständnis hilfreich, dass das WM-Aus weniger mit „fehlendem Spielglück“ (Voss-Tecklenburg), sondern eher mit fußballerischer Armut zu tun hatte. Dass der amtierende Olympiasieger nun bei den Spielen 2020 in Tokio fehlt, weil sich dafür nur die besten drei europäischen Teams der WM qualifizieren, ist bitter.

Selbst die skandinavischen Fans, die irgendwann aus den Studentenbars der Mail François Mitterrand vertrieben worden sind, konnten sich nicht daran erinnern, dass ihnen der Angstgegner jemals so wenig Schrecken eingejagt hat. „Das darf nicht passieren. Es ist einfach blöd, wenn uns ein langer Ball aus der Bahn wirft“, kritisierte die erstmals bezwungene Torhüterin Almuth Schult. Die 28-Jährige wusste natürlich, dass der Rohrkrepierer im Roazhon Park vieles konterkariert, was gerade sie sich vehement gewünscht hatte: mehr Aufmerksamkeit, mehr Nachhaltigkeit.

Gerade deshalb wären zwei weitere Spiele bei dieser WM so wichtig gewesen. „Wir müssen darin auch eine Chance sehen, dass es uns Zeit und einen Rahmen gibt, Entwicklungen anzuschieben, Veränderungsprozesse kontinuierlich weiterzugehen und bei der EM 2021 eine gute Rolle zu spielen. Es darf für uns kein Rückschlag sein“, sagte Voss-Tecklenburg, die eine „sachliche Analyse“ ankündigte. Die 51-Jährige wird genau überlegen müssen, wem sie beim Erneuerungsprozess mehr Verantwortung überträgt. Giulia Gwinn (18), Lena Oberdorf (17), Klara Bühl (18), vielleicht auch Lea Schüller (21) sollen zu Leistungsträgerinnen reifen, während Lena Goeßling (33) wohl als Erste aus dem Kader ihren Rücktritt erklärt.

Voss-Tecklenburg darf bleiben

„Au revoir Bretagne“, posteten die DFB-Frauen zu den mit trauriger Musik unterlegten Abschiedssequenzen. „Au revoir Weltspitze“ wäre besser gewesen. Für Voss-Tecklenburg ist das eine „Sache der Definition“, denn: „Wir haben nicht 0:5 verloren, sondern 1:2. Ich glaube, dass auf der anderen Seite ein Gegner stand, der robuster, cleverer und cooler war.“ Ganz gewiss sogar. Eine Vollbremsung wollte die Trainerin mit dem verfrühten Ausstieg aus ihrer Tour de France nicht erkennen, im Gegenteil: „Ich erwarte, dass wir daran wachsen. Weil wir ein Spiel verloren haben, stellen wir nicht alles infrage.“

Ihre Vorgesetzten haben auf Grundsatzdiskussionen im weiblichen Bereich ohnehin keine Lust, obwohl gerade auch die Frauen-Bundesliga den Anschluss verliert, wer den internationalen Transfermarkt nur überfliegt. Der für die Nationalmannschaften zuständige Oliver Bierhoff erteilte per Ferndiagnose bereits reflexartig Rückendeckung für die Bundestrainerin, obwohl nach Rennes nur sein Sportlicher Leiter Joti Chatzialexiou gereist war. „Martina Voss-Tecklenburg hat in der kurzen Zeit schon sehr viel bewegt, wir haben viele tolle Ansätze gesehen, die Erneuerung schreitet voran.“ Diesen Weg solle die Trainerin mit ihrem Team „konsequent fortsetzen“.

Ob nicht auch über Voss-Tecklenburgs Tun gesprochen werden müsse, löste bei dem völlig nassgeschwitzten DFB-Vizepräsidenten Rainer Koch fast einen Hitzschlag aus: „Die Frage erübrigt sich! Es war ein hartes Stück Arbeit, sie als Trainerin zu gewinnen. Wer sie erlebte, kommt nicht auf die Idee, sich ein weiteres Thema ins Haus zu holen. Wo keine Probleme sind, muss man sich keine machen.“