Der Fußball fasziniert auch in Fellbach und in Kernen: Wir wollen in dieser Serie Akteure vorstellen, die besondere Momente und besondere Erfolge erlebt haben. Heute: Harald Drechsler, dessen Laufbahn 1963 beim VfB Stuttgart begann.

Oeffingen - Ein Spiel, das Harald Drechsler noch in bester Erinnerung hat, datiert aus dem Jahr 1983. Damals, am 29. Mai, einem Sonntag, standen sich die Landesliga-Fußballer der Spvgg Rommelshausen und der TSG Backnang in einem echten Endspiel um den Aufstieg in die Verbandsliga gegenüber. Den Gästen aus Backnang hätte auf dem „Römer“ Rasen ein Punkt genügt, für die Gastgeber war ein Sieg vonnöten, um den Sprung nach oben zu schaffen. Harald Drechsler, der zu Saisonbeginn vom TSV Schmiden zur TSG gewechselt war, hatte wie alle anderen auf das Spiel hingefiebert, sich jedoch im abschließenden Training beim Elfmeterschießen eine Adduktorenzerrung in seinem starken rechten Bein zugezogen.

 

Zwar hatte ihm damals der Schmidener Physiotherapeut Hans Hartogh am Samstagabend noch einen Verband angebracht, „aber schon beim Aufwärmen habe ich gemerkt, dass es eigentlich nicht geht“, sagt der heute 64-Jährige. Seinem Trainer Helmut Loistl verschwieg er das freilich. „Ich wollte unbedingt spielen.“

Mit zwei Toren macht Harald Drechsler alles klar

Das ging dann zunächst allerdings mehr schlecht als recht. Zur Pause stand es vor mehr als 4000 Zuschauern noch 0:0; erst in der 52. Minute gingen die Backnanger mit 1:0 in Führung. Als Helmut Loistl hernach einen Spieler zum Warmlaufen schickte, war für Harald Drechsler klar: „Der kann nur für mich kommen.“ Also biss er noch einmal die Zähne zusammen und stand nach einer Flanke in der 75. Minute goldrichtig: per Direktabnahme drosch er den Ball zum 2:0 ins Tor. Vier Minuten später gelang ihm mit einem tückischen Aufsetzer gar das 3:0 – und damit die Entscheidung. Nach Spielende durfte Harald Drechsler einem Reporter des Südwestrundfunks sogar ein Interview geben: „Ich bin wirklich überglücklich“, sagte da der zweifache Torschütze, der tags zuvor die Hochzeit seines Bruders Klaus wegen des anstehenden Kicks schon vorzeitig verlassen hatte.

Nach der Schule ging es auf den Bolzplatz – für Stunden

In der Verbandsliga hat Harald Drechsler, der in Mönchfeld in Stuttgart aufgewachsen ist, dann aber gar nicht gespielt. Weil der Elektrogroßhandelskaufmann in Fellbach einen neuen Job gefunden hatte und ihm die Pendelei nach Backnang zu stressig war, kehrte er nach nur einer Spielzeit zum TSV Schmiden zurück. „Da haben sich alle riesig gefreut“, sagt Harald Drechsler, den vor allem seine immense Schnelligkeit und seine Dribbelstärke ausgezeichnet hat. „Ich war halt noch ein echter Straßenkicker“, sagt der zweifache Familienvater. Nach der Schule sei der Ranzen in die Ecke geworfen worden, dann ging es auf den Bolzplatz. Oft sechs Stunden oder länger. „Für mich gab’s halt nur Fußball.“ Seine Vorbilder waren damals die Flügelflitzer Gilbert Gress vom VfB Stuttgart und der Dortmunder Lothar Emmerich.

Seine gute Technik hat Harald Drechsler aber auch den Jugendtrainern beim VfB Stuttgart zu verdanken. Beim Verein mit dem roten Brustring hatte 1963 die Laufbahn des Rechtsaußen begonnen. „Ich hatte eine tolle Zeit beim VfB“, sagt Harald Drechsler, der einige Meistertitel gewann. Dass sich die Nachwuchskräfte in der gleichen Kabine wie die Lizenzspieler umziehen durften, „war der Hammer“.

Mit dem „Fünfer“ ging es montags nach Ruit

Von der C-Jugend an kickte er mit Hansi Müller, 1980 Europameister mit der deutschen Nationalmannschaft, zusammen. „Der Hansi und ich haben uns immer gut verstanden“, sagt Harald Drechsler. Zu der Zeit fuhr er außerdem jeden Montag mit der „Fünfer“ hinauf nach Ruit, wo die Talentiertesten ein Sondertraining erhielten. Zum Sprung in die württembergische Auswahl hat es aber nicht gereicht.

Als Harald Drechsler in der A-Jugend nur für die zweite Formation des VfB vorgesehen war, heuerte er beim TSV Mühlhausen an. Dort gelang ihm mit dem Team der Aufstieg in die Verbandsstaffel, damals die höchste Liga. In der belegte er mit seinen Mitspielern eine Saison später den fünften Platz. Meister wurde der VfB mit Hansi Müller, nachdem die Mühlhausener die Stuttgarter Kickers mit 2:1 besiegt und Schützenhilfe geleistet hatten.

Von der Amateurliga ging es zurück in die Bezirksliga

Nach drei Spielzeiten bei den Männern wechselte Harald Drechsler 1976 zum SV Stuttgart-Rot, der in der zweiten Amateurliga vertreten war. „Als mich der Manager Manfred Pfaff gefragt hat, ob ich kommen will, war das eine Ehre.“ 1980 lotste ihn dann Wolfgang Kolb zum Bezirksligisten nach Schmiden. „Der SV Rot war auf dem absteigenden Ast und der TSV eine Topadresse in der Bezirksliga“, sagt Harald Drechsler. Deshalb sei er nach seinem Engagement in Backnang auch wieder gerne zurückgekommen. „Der TSV war wie eine kleine Familie.“ Und die Familie hat ihn geschätzt. Einmal hatte er mit seinen beiden Toren den Weg zum Sieg über den Tabellenführer VfR Murrhardt bereitet, woraufhin sein zehn Jahre jüngerer Mitspieler Rainer Wehaus zu Protokoll gab: „Der erlebt gerade seinen zweiten Frühling.“ Für manchen Zuschauer war es schon mindestens der dritte.

In der Saison 1984/1985 sind die Schmidener vom mitunter noch mitspielenden Trainer Rainer Weinle angeführt worden, der rückblickend Harald Drechslers Lieblingscoach war. „Er konnte super lange Pässe schlagen. Ich musste den Ball nur runterpflücken und ab ging die Post.“

Zum Abschluss noch eine Saison beim TV Oeffingen

Als er 30 war, trat schließlich noch Karlheinz Bren in sein Leben. Der inzwischen verstorbene Abteilungsleiter des TVOe überredete ihn, in der Saison 1986/1987 das eigene Landesliga-Team zu verstärken. „Da hat es in den Wäldern schon gerauscht als ich von Schmiden nach Oeffingen ging“, sagt Harald Drechsler, der hernach seine aktive Laufbahn beendete, später aber noch für die Senioren des TSV Schmiden auflief.

Heute hält sich der Rentner, der in Oeffingen lebt, vor allem mit Radfahren fit. Außerdem hat er die vielen Stäffele in den Weinbergen für sich entdeckt. Im vergangenen Jahr ist er an einem Tag 1749 Stufen nach oben gejoggt. „Diese Jahr will ich mal 2000 an einem Tag schaffen.“