Zwei Jahre lang litt der Torhüter unter seinen dauerhaften Verletzungen und dachte über das Ende seiner Karriere nach. Nun ist HSV-Keeper René Adler nach starken Auftritten in der Bundesliga zurück in der DFB-Auswahl.

Stuttgart - Vielleicht ist ja tatsächlich das nasskalte Novemberwetter schuld. Jedenfalls haben sich die grippalen Infekte unter deutschen Nationalspielern zuletzt auffallend gehäuft; und wer nicht gleich im Bett geblieben ist, hat sich offenbar die Muskeln gezerrt. Die Folge: ein Rumpfteam wird das letzte Länderspiel in diesem Jahr bestreiten, das Prestigeduell gegen die Niederlande am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) in Amsterdam. Denn nach Bastian Schweinsteiger, Holger Badstuber, Sami Khedira, Jerome Boateng, Toni Kroos und Marcel Schmelzer haben am Montag auch Miroslav Klose und Mesut Özil abgesagt.

 

René Adler, so ist zu vermuten, hätte sich auch von einem Muskelfaserriss und hohem Fieber nicht von der Reise nach Holland abhalten lassen. Nicht als lästige Pflicht inmitten der Terminhatz in Bundesliga und Europapokal empfindet der Torhüter die Zusammenkunft der DFB-Auswahl, sondern als „Riesenauszeichnung“. Es mache ihn „sehr stolz, wieder dabei zu sein“, sagt der Schlussmann des Hamburger SV, „das ist wunderschön.“

Das Ende der Karriere stand kurz bevor

Genau zwei Jahre ist es her, dass Adler sein letztes von bislang zehn Länderspielen bestritten hat, beim 0:0 in Schweden. Ein Rippenbruch hatte ihn zuvor die WM 2010 gekostet, für die er ursprünglich einmal als Nummer eins vorgesehen gewesen war. Anschließend sollte es noch schlimmer kommen: Wegen einer Verletzung an der Patellasehne musste Adler bei Bayer Leverkusen die gesamte vergangene Saison pausieren. Während der vom VfB Stuttgart verpflichtete Nachwuchskeeper Bernd Leno in das Rampenlicht schoss, geriet der dauerverletzte Platzhirsch in Vergessenheit – und musste sich mit dem Gedanken befassen, gar nicht mehr professionell Fußball spielen zu können.

„Mein Karriereende war damals sehr nah“, sagt Adler, er habe sich bereits überlegt, welches Studium er beginnen könne. Viele Monate verbrachte er in der Reha, es gab viele Rückschläge und Zweifel, ob die ganze Mühe überhaupt noch etwas bringt. Immer wieder verworfen habe er die Zweifel, „auch wenn ich zwischendurch nicht mehr daran geglaubt habe“. Er habe „nie aufgegeben und einfach weitergemacht“.

Die Auszeit diente der richtigen Balance

Es war die Zeit, in der Adler sein Denken und sein Verhältnis zu seinem Beruf komplett änderte. „Ich habe gespürt, dass mein Leben nur auf der Säule Fußball basierte. Und ich habe gemerkt, dass das für mich nicht gut ist.“ Er arbeitete viel mit einem Mentaltrainer und erfand für sich eine neue Einstellung, die der 27-Jährige so definiert: „Ich habe die richtige Balance zwischen Angespanntheit und Gelassenheit gefunden. Sie ist für mich der Schlüssel, um erfolgreich zu sein und gesund Sport treiben zu können.“

Viele Skeptiker musste der HSV-Manager Frank Arnesen überzeugen, als er im vergangenen Sommer Adler von Leverkusen nach Hamburg holte, ablösefrei zwar, aber mit einem 2,8-Millionengehalt ausgestattet. Kann der’s noch und vor allem: ist er überhaupt fit? – so lauteten die Fragen, die längst der Einsicht gewichen sind, dass die Verpflichtung des 27-jährigen Torhüters Arnesens bester Schachzug gewesen ist. Seit Saisonbeginn zeigt Adler überragende Leistungen, er hat keine einzige Trainingseinheit verpasst und gilt als derzeit stabilster Torwart in der Bundesliga.

Ansprüche auf Platz eins hat Adler nicht

„Ich freue mich sehr, dass René wieder an seine alte Stärke anknüpfen konnte. Er soll wieder die Chance bekommen, sich auch international zu bewähren“, so begründete der Bundestrainer Joachim Löw seine Entscheidung, den gebürtigen Leipziger zurückzuholen und auf den Gladbacher Marc-André ter Stegen vorerst zu verzichten. Ansprüche mag Adler daraus nicht ableiten, er reiht sich brav hinter dem Münchner Manuel Neuer ein. „Jeder würde mich auslachen, wenn ich sagen würde: der Kampf um die Nummer eins ist eröffnet.“ Verständnis hätte er, wenn er gegen Holland erwartungsgemäß zuschauen muss – und will in diesem Falle „von der Bank aus dazu beitragen, dass wir erfolgreich sind“. Fest steht: an Erfahrungen, die er den jungen Mitspielern weitergeben könnte, mangelt es René Adler nicht.