Das WM-Quartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Brasilien muss noch fertiggestellt werden. Trainer Joachim Löw setzt in dem Hotel auf Wohlfühl-Atmosphäre. Hinter dem Bauprojekt steht ein deutscher Unternehmer.

Frankfurt - Die schwarz-rot-goldene Fahne weht bereits im Atlantikwind. Mitten in den Dünen ist sie aufgestellt worden, zwischen Buschwerk und Kakteen. Lange soll es nicht mehr dauern, dann entsteht genau hier, im Naturschutzgebiet des Dorfes Santo André, ein nagelneuer Fußballplatz für die deutsche Nationalmannschaft. Nur ein paar Minuten dauert die Radfahrt in südliche Richtung, dann ist das Quartier der DFB-Auswahl erreicht. Beziehungsweise der Ort, an dem es im nächsten Sommer stehen soll. Auch diese Anlage muss noch gebaut werden, auch hier gibt es nicht viel mehr als ein paar Fahnen.

 

Monatelang hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nach einem geeigneten Basislager für die Weltmeisterschaft in Brasilien gesucht. Der Teammanager Oliver Bierhoff ist viermal vor Ort gewesen, hat das Land bereist, das 24 Mal so groß wie Deutschland ist. Unzählige Hotels hat er inspiziert, mit noch mehr Leuten gesprochen – und sich am Ende für ein Objekt entschieden, das erstens kein Hotel ist und es zweitens noch nicht gibt: das „Campo Bahia“ knapp 30 Kilometer nördlich der Urlaubsstadt Porto Seguro im brasilianischen Bundesstaat Bahía.

Nach der WM werden die Häuser an Privatkunden verkauft

„Der DFB baut eigenes WM-Camp“, so hat die „Bild“-Zeitung am Freitag getitelt, was Bierhoff so nicht stehen lassen will. „Es wird nicht für uns gebaut, es wird auch nicht nach unseren Wünschen gebaut“, sagt der Manager, als er in der DFB-Zentrale in Frankfurt die Pläne vorstellt. Vielmehr handele es sich um ein Projekt, hinter dem die Münchner Unternehmerfamilie Hirmer stehe. Sie baut auf einem Areal von 15 000 Quadratmetern 14 zweigeschossige Luxuswohnhäuser, die sich um einen zentralen Gebäudekomplex mit offener Küche und Swimmingpool gruppieren.

Nach der WM sollen die einzelnen Häuser an vermögende Privatkunden verkauft und vorher fünf Wochen lang zum geheim gehaltenen Freundschaftspreis an Deutschlands beste Fußballspieler vermietet werden. Es werde keineswegs das teuerste Quartier in der deutschen WM-Geschichte sein, sagt Oliver Bierhoff. Christian Hirmer, Geschäftsführer des Investors, freut es „außerordentlich, den DFB und sein Team mit einem optimalen Camp zu unterstützen“.

Eine familiäre soll erzeugt werden, die wichtig sei für den Teamgeist

Zum „germanischen Dorf“ hat Bierhoff die Anlage erklärt, in der der rund 70-köpfige Tross der Nationalmannschaft „Ruhe und Kraft“ finden soll, um zum ersten Mal seit 1990 den Titel nach Deutschland zu holen. Zu sechst werden die Spieler in den einzelnen Häusern leben – „wie in einer Art Wohngemeinschaft“, wie der Manager sagt. Dass es „nicht den üblichen Hotelcharakter“ gebe, sei einer der großen Vorteile: „Wir werden dort eine familiäre Atmosphäre erzeugen können, die für den Teamgeist ganz wichtig ist.“ Zum Wohlbefinden sollen auch die kurzen Wege zum Trainingsplatz und zum Flughafen beitragen. Mit Grauen erinnert sich Bierhoff an seine Inspektionsreisen in brasilianischen Großstädten, bei denen er teils stundenlang im Stau stand. „Ähnliches wird uns erspart bleiben“, sagt er und kommt zu dem Fazit: „Wir haben die idealen Bedingungen.“ Zumindest, wenn bis zum geplanten Einzug am 8. Juni alles rechtzeitig fertig wird.

Bei den vergangenen Turnieren hatte der DFB schon viel früher sein Basislager gebucht, auch auf die Gefahr hin, weit von den Spielorten zu wohnen. Diesmal hat man die Auslosung am 6. Dezember in Costa do Sauípe abgewartet – wegen der ungleich größeren Entfernungen und vor allem wegen der unterschiedlichen Klimazonen. In Salvador, Fortaleza und Recife bestreitet die DFB-Elf ihre Vorrundenspiele gegen Portugal, Ghana und die USA, im Hitzegürtel des brasilianischen Nordens also. Mit der endgültigen Festlegung des Basislagers hat der DFB auch alle weiteren WM-Planungen abgeschlossen. Anders als vor den Turnieren der Vergangenheit verzichtet der Bundestrainer Joachim Löw diesmal darauf, die Mannschaft direkt nach dem letzten Bundesligaspieltag am 10. Mai zu einem Regenerationstrainingslager einzuberufen. Stattdessen bekommen die Spieler nach dem Testländerspiel gegen Polen am 13. Mai in Hamburg eine letzte Woche frei, ehe es am 21. Mai ins zehntägige Vorbereitungscamp nach Südtirol geht.

Man hat Lehren aus der Vergangenheit gezogen

Damit wurden die Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Denn 2012 hatten wegen des DFB-Pokalfinales und des Champions-League-Endspiels zwischen den Bayern und Chelsea nur eine gute Handvoll Aufrechte die Vorbereitung auf die EM in Polen und der Ukraine aufgenommen. „Diesmal möchten wir gleich mit möglichst vielen Spielern starten“, sagt der Assistenztrainer Hansi Flick.

Zwei letzte Testländerspiele folgen am 31. Mai in Mönchengladbach und am 6. Juni in Mainz, die Gegner sind noch offen. Am Tag darauf geht es vom Frankfurter Flughafen aus nach Brasilien. Im „Campo Bahia“, so steht zu vermuten, werden zur Begrüßung der deutschen Gäste sehr viele weitere schwarz-rot-goldene Fahnen im Atlantikwind wehen.