Beim G20-Gipfel an diesem Wochenende geht es um faire Impfstoffverteilung und einen Schuldenerlass für Länder, denen Geld zur Pandemiebekämpfung fehlt. Bei den klassischen internationalen Themen Steuern, Handel, Klima hofft man auf 2021.

Berlin - Das ist alles sehr, sehr schwierig.“ Auf diesen kurzen Nenner hat ein deutscher Regierungsvertreter am Freitag die Vorbereitung und Durchführung des G20-Gipfels gebracht. Dabei spielt noch die kleinste Rolle, dass das virtuelle Gastgeberland Saudi-Arabien nicht unbedingt – um es vorsichtig zu formulieren – der beste Partner für Gespräche über die Stärkung der Frauen im Wirtschaftsprozess ist. Eingeschränkt ist die Gruppe der 20 größten Industrienationen vor allem dadurch, dass sowohl die Vorgespräche wie auch der Austausch der Staats- und Regierungschefs auf Videoformate begrenzt sind. Zusammen mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Samstag und Sonntag – dem 15. Jahrestag ihrer ersten Amtseinführung – nur aus dem Kanzleramt zugeschaltet sein.

 

Den äußeren Umständen ist bereits im Vorfeld ein zentrales Vorhaben zum Opfer gefallen. So hatte sich die Staatengemeinschaft vorgenommen, die – im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) – laufenden Gespräche über eine weltweite Digitalsteuer bis Jahresende abzuschließen. Für diese globale Steuerrevolution gilt nun Mitte 2021 als neues Zieldatum.

Die G20 warten auf Joe Biden

Die Hoffnungen zum internationalen Klimaschutz wie zu Handelsfragen ruhen ebenfalls auf kommendem Jahr. Auch die Bundesregierung setzt in diesen Fragen auf den gewählten US-Präsidenten Joe Biden. „Seit Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump war die G20 mehr mit Schadensbegrenzung, Blockadehaltung und nationalen Egoismen beschäftigt als damit, globale Probleme zu lösen“, stellte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie, am Freitag nüchtern fest. Seine Erwartungen an den Gipfel sind auch deshalb „überschaubar“.

Am ehesten etwas gehen könnte nach Einschätzung deutscher Regierungskreise bei dem Thema mit der größten akuten Handlungsnot. Um der Corona-Krise Herr zu werden, wollen die Europäer alle G20-Nationen auf weitere staatliche Maßnahmen verpflichten, um einen noch tieferen Absturz der Weltwirtschaft zu verhindern. „Ich werde die Bedeutung unterstreichen, die Wirtschaftshilfen beizubehalten bis wir einen sicheren Wiederaufschwung haben“, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die ebenfalls an den Videositzungen teilnimmt.

Wirklich konkret soll es nach dem Willen der Bundesregierung bei der globalen Verteilung des bald zu erwartenden Impfstoffs werden. So geht es in den Verhandlungen der Abschlusserklärung darum, ob darin ein fairer weltweiter Zugang zu der lebensrettenden Schutzimpfung verankert wird. In Regierungskreisen wird eingeräumt, dass hier durchaus ein „Spannungsfeld“ existiert, da sich auch die Europäische Union und Deutschland auf dem Vertragswege exklusiv viele hundert Millionen Impfdosen gesichert haben.

Das Impfprogramm ist noch nicht voll finanziert

Auf der anderen Seite nimmt die Bundesregierung für sich in Anspruch, die globale Gesundheit beim heimischen Gipfel 2017 in Hamburg erst zum G20-Thema gemacht habe, weshalb es überhaupt nur wenigstens erste Ansätze für eine Stärkung der Weltgesundheitsorganisation gebe, aus der Trumps USA zuletzt ausgetreten sind. Zudem wurde auf eine deutsch-französische Initiative hin im März die internationale Corona-Impf-Initiative Covax aus der Taufe gehoben – mit dem Ziel, den Kauf und die Verteilung von zwei Milliarden Impfstoffdosen für die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen in 92 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu finanzieren. Bis Ende nächsten Jahres sind dafür schätzungsweise elf Milliarden Euro notwendig, von denen nach Angaben des Bundesfinanzministeriums bisher 4,3 Milliarden Euro zugesagt wurden, unter anderen von Deutschland und der EU. „Notwendig ist, dass alle G20-Staaten sich daran beteiligen“, forderte Vizekanzler Scholz nach einer Vorbereitungssitzung am Freitag.

Unklar ist auch, ob es am Wochenende den nötigen Konsens dafür geben wird, in Gespräche über einen von Hilfsorganisationen geforderten Schuldenerlass für besonders arme und überschuldete Staaten einzusteigen, die sonst nicht über die Mittel für die Pandemiebekämpfung verfügen. Beschlossen ist bereits eine Verlängerung eines Schuldenmoratoriums, durch das die ärmsten Staaten nun bis Ende Juni nächsten Jahres keine Zinsen auf ihre Schulden zahlen müssen. „Das reicht aber nicht“, heißt es dazu in deutschen Regierungskreisen. Dort hofft man nun auf die Annahme eines „multilateralen Rahmenwerks zum weiteren Umgang mit Staatsschulden“ durch die Staats- und Regierungschefs, das ihre Finanzminister vorbereitet haben und die Einbindung öffentlicher wie privater Gläubiger vorsieht.