Die Leben der rund 600 Insassen des Lagers in Hailfingen/Tailfingen an der Grenze der Kreise Böblingen und Tübingen sind rekonstruiert. Das KZ gelte als eines der am besten erforschten in Süddeutschland, sagt der Autor Volker Mall.

Gäufelden - Weitgehend komplett ist nun das Verzeichnis der Häftlinge des ehemaligen Konzentrationslagers Hailfingen/Tailfingen. „Es gilt als eines der am besten erforschten kleinen Lager in Süddeutschland“, sagt Volker Mall von der KZ-Gedenkstätteninitiative Hailfingen/Tailfingen. Das ist mit sein Verdienst. Seit zehn Jahren erforschen er und Helmut Roth die Schicksale der rund 600 Häftlinge, die um die Jahreswende 1944/1945 den Militärflughafen auf den Gemarkungen von Tailfingen im Süden des Kreises Böblingen, Hailfingen, ein Stadtteil von Rottenburg, und Bondorf ausbauten. Und das unter unmenschlichen Bedingungen. Mall hat nun eine aktualisierte Fassung des Häftlingsverzeichnisses veröffentlicht.

 

„Es spiegelt die Quellenlage wieder“, sagt Mall, der davon ausgeht, dass künftig wenn, dann nur noch Kleinigkeiten an den Lebensläufen der ehemaligen Häftlinge korrigiert werden müssten. Manche der Lebensgeschichten umfassen wenige Zeilen, andere mehrere Seiten wie etwa die der Überlebenden Mordechai Ciechanower und Israel Arbeiter. Rund ein Jahr lang war Mall mit der Aktualisierung beschäftigt – und förderte dabei einige interessante Hinweise und Quellen zu Tage.

So etwa über Jacques Rebboah. Der Schlosser aus Lyon war 1944 von Kollaborateuren der Parti populaire français auf der Straße verhaftet, in das KZ von Auschwitz, dann nach Stutthof bei Danzig und im November 1944 nach Hailfingen verschleppt worden. Er erlebte die Befreiung des Lagers im Februar 1945, wurde dann nach Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg) und von dort in das Diakonissenkrankenhaus nach Speyer verlegt, wo der 21-Jährige im April starb. Beigesetzt wurde er auf dem Speyrer Friedhof, doch fünf Jahre später wurden seine sterblichen Überreste exhumiert und auf den Cimetière National im elsässischen Cernay umgebettet. Noch im November 1944 hatte sich Rebboahs Vater bei den Behörden nach dem Schicksal seines Sohnes erkundigt. Der Brief findet sich in Malls Buch.

Ähnlich wie Rebboah war es Raphaël Caraco ergangen. Bewaffnete Kollaborateure fassten den Schüler am 13. Juli 1944 wenige Tage vor seinem 17. Geburtstag in Lyon. Er wurde in dem Gestapogefängnis festgehalten. Als seine Mutter dort nach ihm suchte, wurde auch sie festgenommen. Wie Rebboah gelangte Caraco über die Lager in Auschwitz und Stutthof nach Hailfingen. Bald schon wurde Caraco krank und im Februar 1945 in das zentrale Krankenlager nach Vaihingen/Enz verlegt, das die französische Armee im April befreite. An seine Tante Rahel schrieb der Jugendliche, dass er im Mai in ein Krankenhaus auf der Insel Reichenau gebracht werden soll. Entweder starb er auf dem Transport oder kurz nach seiner Ankunft.

Ohne die Technik wäre die Aufarbeitung der Häftlingsschicksale nicht möglich gewesen, betont Mall. So stellten immer mehr Archive ihre Daten ins Internet. Auch ließe sich über E-Mail und Facebook der Kontakt zu Nachkommen ehemaliger Häftlinge knüpfen. 16 von diesen lebten noch, so Mall. Außerdem habe die KZ-Gedenkstätteninitiative rund 50 Nachfahren ehemaliger Häftlinge aufspüren können. Sie alle seien zum fünfjährigen Bestehen der Gedenkstätte im Juni dieses Jahres eingeladen. „Überraschend“ für Mall ist, dass sich die Enkel der Häftlinge mehr für deren Geschichte interessierten als die Kinder. Sie seien so traumatisiert, vermutet Mall, dass sie nichts von der grauenvollen Vergangenheit ihrer Eltern wissen wollten.