Die Pläne für ein „Haus der Stille“ im Garnisonsschützenhaus nehmen Gestalt an. Wie kann man ein Kulturdenkmal für die Bürgerschaft öffnen? Wie kann man seine Geschichte berücksichtigen und doch etwas ganz Neues schaffen? Diese Fragen stellt sich eine Gruppe engagierter Stuttgarter um Christian Dosch seit über einem Jahr.

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

S-Süd/ Degerloch - Wie kann man ein Kulturdenkmal für die Bürgerschaft öffnen? Wie kann man seine Geschichte berücksichtigen und doch etwas ganz Neues schaffen? Diese Fragen stellt sich eine Gruppe engagierter Stuttgarter um Christian Dosch seit über einem Jahr. Das Objekt der Überlegungen ist das seit über fünf Jahren leerstehende Garnisonsschützenhaus am Dornhaldenfriedhof mitsamt Wach-, Wohngebäude, Geräteschuppen und Garten.

 

Seit Jahren stehen die Gebäude leer

„Wir möchten das Gebäudeensemble erhalten, für die Öffentlichkeit zugänglich machen und als ein ,Haus der Stille‘ beleben“, sagt Dosch. Das Thema der Stille passe sehr gut zu der historischen Örtlichkeit, nicht nur wegen des angrenzenden Dornhaldenfriedhofs.

1869 wurden hier Schießbahnen für die königliche Garnison Stuttgart angelegt, 1880 das Wach- und Wohngebäude errichtet. Das Garnisonsschützenhaus mit den roten Backsteinen und dem flachen Dach wurde ab 1893 erbaut, 1898 folgte der Geräteschuppen. Bis in den Zweiten Weltkrieg hinein fanden auf den Schießanlagen Hinrichtungen statt, danach diente die Anlage als Schießübungsgelände, in den sechziger Jahren gab es wohl auch eine Gaststätte im Garnisonsschützenhaus.

In den Siebzigerjahren erwarb die Stadt das Gebäudeensemble, im Jahr 1972 wurde der Friedhof angelegt. „Zu dieser Zeit wurde aus einem Ort des Lärms ein Ort der Stille“, so Dosch. Bis 2011 war die Anlage an Friedhofsmitarbeiter vermietet, seitdem steht sie leer.

Mit der Einrichtung eines „Hauses der Stille“ möchten Dosch und seine Mitstreiter einen öffentlich zugänglichen Raum schaffen, der „Innehalten, Besinnung und Einkehr ermöglicht“, erläuterte Dosch beim Informationsabend mit Dialogforum am Freitagabend. Es ist geplant, im Garnisonsschützenhaus selbst zwei Räume für Veranstaltungen und für ein Café zu nutzen, im Wohngebäude nebenan soll die Möglichkeit zur Vermietung an zwei Stipendiaten bestehen.

Natur erfahren und zur Ruhe kommen

Rund 30 interessierte Bürger hatten sich im Alten Feuerwehrhaus am Erwin-Schöttle-Platz eingefunden, um ihre Ideen zur Gestaltung des Projekts einzubringen. In drei Bereichen, „Garten der Stille“, „Programm, Veranstaltungen und Vermietungen“ und „Ausstellung“ trugen sie ihre Wünsche zusammen. Der Garten soll eine Zone werden, in der man die Natur erfahren und zu innerer Ruhe kommen kann, das Thema Sinneserfahrungen, etwa durch einen Barfußweg, war gewünscht. Auch Wasser, zum Beispiel in Form eines kleinen Brunnens, könnte zum Erleben der Stille beitragen. Auf keinen Fall wollten die Teilnehmer hingegen einen Grillplatz oder laute Musik.

Beim Thema Veranstaltungen könne man sich Yoga- oder Meditationskurse in den Gebäuden vorstellen, aber auch Platz für Trauergruppen. In jedem Fall solle das Angebot niedrigschwellig und für alle Menschen zugänglich sein. Die Erinnerung an die Geschichte des Ortes möchte man ebenfalls einbeziehen, in Form von Dauer- oder Wechselausstellungen im Geräteschuppen. Auch für andere Ausstellungsthemen möchte man sich offen zeigen.

Dosch versprach, alle Ideen zu sammeln und keine zu verwerfen. Gemeinsam mit den Bürgern möchte man hier etwas schaffen, was vielleicht auch als Modellprojekt für den Umgang mit Kulturdenkmälern dienen kann.

Die Gesamtkosten für Instandsetzung, Baunebenkosten und Außenanlagen aller drei Gebäude und des Gartens belaufen sich auf knapp eine Million Euro. Dosch möchte eine Bürgergenossenschaft gründen, die die Finanzierung organisiert und sich um die Verwaltung kümmert.

Wer sich an dem Projekt beteiligen will, kann Anteile zu jeweils 1000 Euro erwerben. Mit der deutschen und der baden-württembergischen Denkmalschutzstiftung sei man wegen der Übernahme einiger Anteile ebenfalls in Gesprächen, sagt Dosch. Bis Juni soll ein Nutzungskonzept festgelegt werden, bis Juli die Finanzierung geklärt und die Bürgergenossenschaft gegründet werden. Im Oktober soll dann die politische Entscheidung zur Umsetzung des Projekts fallen. Mit Planung, Instandsetzung der Gebäude und Umsetzung der Ideen sei eine Eröffnung voraussichtlich im Herbst 2017 realistisch. Wer möchte, kann sich jederzeit an dem Projekt beteiligen, die Initiative um Christian Dosch steht allen offen. „Das ‚Haus der Stille’ ist ein großes Abenteuer – mal sehen, wo es uns hinführt“, sagt Dosch.