In den Krankenhäusern wächst die Arbeitsbelastung für das Pflegepersonal. Wenn die Klinikträger Kosten eingespart haben, wurde meist im Pflegedienst gekürzt. Das geht so nicht mehr weiter, sagt der Arbeitnehmervertreter Jürgen Lippl.

Stuttgart - Ich bin Gewerkschaftssekretär geworden, weil ich mir gesagt habe: So kann es mit der Arbeit im Krankenhaus nicht weitergehen. Ich habe Krankenpfleger gelernt. Wir haben schon früher geflachst, dass bei Pflegerinnen und Pflegern im Krankenhaus die Beine in Hüfthöhe rotieren und den Boden nur bei einer Richtungsänderung berühren. Das galt für Stoßzeiten. Aber die sind zur Normalität bei der Tätigkeit im Pflegedienst geworden.

 

Die Pflegekraft ist in der Klinik der Ansprechpartner für jedermann, für den Patienten, aber auch für die Angehörigen, die Ärzte, die medizinischen Funktionsbereiche, die Haustechnik, die Materialwirtschaft und andere. Draußen sieht man nur die Arbeit am Patienten. Das ist ja auch das Wichtigste. Es strömt aber eine ganze Flut von Anforderungen auf die Pflegekräfte ein, und die Hetze wächst.

Hoher Anspruch ans eigene Tun

Die Leute mögen den Beruf, den sie ausüben. Sie bestimmen zum Teil ihr Selbstwertgefühl dadurch und haben einen hohen Anspruch an ihre Tätigkeit. Und doch kommen sie selbst bei maximaler Anstrengung kaum rum. Ich war einige Jahre Betriebsrat. Viele Pflegekräfte sind zu mir gekommen und haben sich erkundigt, wie das läuft, wenn sie die Arbeitszeit reduzieren, weil sie den Job in Vollzeit einfach nicht mehr aushalten. Der Pflegedienst ist so weit reduziert worden, dass bei Krankheitsausfällen Kollegen an freien Tagen zu Hause angerufen werden. Die kommen dann auch. Planbare Freizeit und notwendige Erholung kommen dann aber zu kurz .

Es ist unverantwortlich, in einer chirurgischen Station mit 40 Betten in der Frühschicht nur zwei examinierte Vollkräfte im Pflegedienst zu haben. Aber das gibt es. Wir haben in Krankenhäusern gefragt, wie viele Leute gebraucht würden, damit die Arbeit vernünftig gemacht werden kann. Eine Kraft oder eineinhalb Kräfte pro Schicht mehr, ist die Antwort. Das sind 20 Prozent mehr Stellen.

Gefahr für die Patienten

Klar, das sind immense Kosten, aber die derzeitige Arbeitsbelastung ist Raubbau an der Gesundheit der Beschäftigten, macht den Beruf unattraktiv und gefährdet im schlimmsten Fall die Patienten. Wir brauchen ein gesetzlich geregeltes Personalbemessungssystem. In Abhängigkeit von Faktoren wie der Patientenzahl, der Fallschwere oder des Behandlungsbedarfes muss eine Personalquote definiert werden. Dafür braucht das System mehr Geld.

Vor vielen Jahren hat man beschlossen, die Krankenhausfinanzierung zu deckeln. Man war der Meinung, es gibt zu viele Kliniken, und wollte so erreichen, dass unwirtschaftliche Häuser schlicht aufgeben. Vermutlich weil die Entscheidung, Kliniken zu schließen, Wählerstimmen kosten könnte. Seitdem kämpfen die Kliniken ums Überleben. Ausgetragen wird dieser Kampf auf dem Rücken der Beschäftigten und zum Leidwesen der Patienten. Es ist die Aufgabe der Politik, die Zahl der Krankenhäuser zu steuern. Der Ansatz der Landesregierung zu einer regionalen Krankenhaus-Bedarfsplanung weist in die richtige Richtung.