Hochhäuser sind ein Reizthema, das in Stuttgart seit Jahrzehnten verkrampft diskutiert wird. Man sieht das einigen Häusern an, die gern höher wären. Zumindest im Talkessel sind Hochhäuser für viele grundsätzlich tabu. Ich finde, dass man das etwas geschmeidiger sehen sollte, auch vonseiten der Stadtplanung. Rathausturm, Tagblattturm und diverse andere Türme zeigen, dass in der Mitte des Talkessels eine dreidimensionale Verdichtung der City von hohem Reiz sein könnte.

Eine konzentrierte Gruppe von schlanken Türmen könnte die Mitte der Stadt betonen. Ein von weitem erkennbares dreidimensionales Stadtzentrum mit einem vorgegebenen Mindestabstand zum Hangfuß könnte eine stadtbildprägende Bereicherung sein. Ebenso kann ich mir einzelne Hochhäuser oder Gruppen von Hochhäusern am oberen Rand des Kessels vorstellen, also in Höhenlage, wenn genügend Abstand zum Fernsehturm eingehalten wird und das natürliche Auf und Ab des oberen Kesselrandes nicht nivelliert wird.

Der Hangfuß und die Hanglagen müssen frei bleiben von hoher und großmaßstäblicher Bebauung. Die Frischluftschneisen müssen auf jeden Fall freigehalten und verstärkt werden. Die steinerne Stadt ist nicht die einzige Ausdrucksform von Urbanität. Trennende Verkehrsschneisen – ob Straße oder Bahn – liegen in meinen Visionen von Stuttgart unterirdisch.

Die Stäffele, ein Kulturgut ersten Ranges


Aufgrund der klimatischen Situation sollten mehrere größere Wasserflächen im Talgrund geschaffen werden. Neben der Verdunstungskühle bringt das auch Atmosphäre und Aufenthaltsqualität. Ich mag zum Beispiel die Situation am Feuersee. Solche skurrilen Besonderheiten sollte sich die Stadt an mehreren Stellen leisten. Dass die geplante Wasserfläche rund um die neue Stadtbücherei am Pariser Platz nicht realisiert wird, finde ich kleingeistig und ignorant. So kommt niemals Grandezza auf. Die Wasserfläche ist unabdingbar für den Baukörper und seine Ausstrahlung auf das städtische Umfeld, und von dem wird hier nicht viel zu erwarten sein. Hier entsteht ein uninspiriertes Allerweltsquartier, ein Jahrhundertfressen für Investoren. Verpufftes Potenzial.

Wo liegen die Zukunftspotenziale für die Stadt? Für mich liegen sie nach wie vor in der Topografie – in der Art und Weise, wie man Bebauung und Geländeform so zusammenbringt, dass Urbanität entsteht. James Stirling hat das mit der Ausbildung des Hangfußes an der Kulturmeile beispielhaft vorexerziert. Das Geländegefälle wird in urban wirkende Architekturelemente transformiert, Sockel, Rampe, Achse etc. Das angehobene Fußgängerniveau funktioniert als Flaniermeile. Stuttgart braucht den Blick von außen. In meinem Stuttgart gäbe es einen Gestaltungs- und Städtebaubeirat, der mehrheitlich von auswärtigen Fachleuten besetzt ist, diese könnten ja von hiesigen Architekten gewählt werden.

Stirling hat auch das Thema der Stuttgarter Staffeln aufgenommen und auf sehr urbane Weise weiterinterpretiert. Und da sind wir doch noch bei einem Stück alter Stuttgarter Grandezza angekommen: die Stäffele, ein Kulturgut ersten Ranges. Ich laufe täglich mehrfach die Sünderstaffel – hier ist für mich die ideale Verbindung von Stadt und Landschaft direkt spürbar, nicht nur in den Waden. Mein zukünftiges Stuttgart besteht aus vielen kleinen und alltäglichen Visionen – den richtigen Gedanken im passenden Augenblick. Es sind die eher unscheinbaren Maßnahmen, die effektiv wie die Nadelstiche der Akupunktur das gesamte Nervensystem der Stadt lahmlegen oder stimulieren können.