Weil er schwer krank ist, hat der Pächter sein Hotel mit Restaurant an der Oberaichener S-Bahn-Station dicht gemacht und einen Nachfolger gesucht. Doch die Stadt hat offenbar andere Pläne.

Oberaichen - Der Briefkasten ist vollgestopft, ein Rollladen heruntergelassen, in der Auslage fehlt die Speisekarte: Ansonsten deutet nichts darauf hin, dass das Hotel Maestral am Oberaichener S-Bahn-Halt bereits vor Monaten dichtgemacht hat. Auch beim Hotelreservierungssystem HRS ist das Haus noch zu finden und wird dort mit den Worten beschrieben: „Einladende Gästezimmer, elegantes und stimmungsvolles Ambiente, köstliche, saisonale Gerichte.“ Und tatsächlich: Der Beherbergungsbetrieb, der im Flecken noch immer Bahnhöfle genannt wird, wirkt gepflegt, die Fassade ist in einem freundlichen Gelbton gestrichen. Im Biergarten sind Tische und Stühle aufgeklappt, so als erwartete der Wirt heute noch Gäste.

 

Die Krankheit hat alle Pläne auf den Kopf gestellt

Die Realität sieht anders aus: Seit Ende Oktober 2019 können Auswärtige an der Raiffeisenstraße 8 kein Zimmer mehr buchen und Brautleute keine Hochzeit mehr feiern. Der Pächter Nikola Cepek hat das Hotel samt Restaurant aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Er sei schwer erkrankt. „Es gibt leider Krankheiten, die einen in die Knie zwingen und alle Wünsche und Pläne auf den Kopf stellen“, schreibt er auf myle.de, einer Onlineplattform in der Stadt.

„Ich habe selbst gekocht“, sagt er unserer Zeitung. Mittlerweile habe er aber keinen Geruchs- und keinen Geschmackssinn mehr. Nikola Cepek hat sich um einen Nachfolger gekümmert. Dieser warte aktuell noch auf eine Finanzierungszusage seiner Bank, sagt Cepek.

Allerdings: Auch die Stadt hat ein Auge auf das Grundstück, das zum Verkauf steht, geworfen. Der Grund und Boden samt Gebäude gehört nach unseren Informationen einer Frau, die nach dem Tod ihres Mannes, nicht mehr in Deutschland lebt. Bürgermeisterin Eva Noller bestätigt das Kaufinteresse der Stadt. Sie wolle den Stadträten des Technischen Ausschusses unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Der Kaufpreis soll bei etwas weniger als einer Million Euro liegen, ist zu hören.

Laut der Bürgermeisterin ergibt es aus mehreren Gründen Sinn, dass die Stadt am Oberaichener S-Bahn-Halt Eigentum hinzugewinnt. Zum einem könnte die Kommune mit diesem Haus künftig Menschen in Not ein Dach über dem Kopf bieten. Gedacht wird dabei offenbar an obdachlose Alleinerziehende, die mit ihren Kindern nicht in bestehende Obdachlosenheime ziehen können, ist dazu zu hören. Unabhängig davon könnte die Gaststätte dennoch neu verpachtet werden.

Stadt hat gleich mehrere Gründe das Grundstück zu kaufen

„Die Zahl der Obdachlosen in der Stadt ist angestiegen“, sagt Eva Noller. Die Kommune sei auf der Suche nach zusätzlichen Plätzen. Zudem müssten im Zuge von Stuttgart 21 am Oberaichener Bahnhof ein umfassender Lärm- und Erschütterungsschutz gebaut werden. „Wir wollen dort einen Mobilitätspunkt erstellen“, sagt sie.

So oder so ist das leer stehende Hotel in Oberaichen ein Thema im Ort. Vor Jahrzehnten war das Bahnhöfle ein bekannter Treffpunkt für die Bürgerschaft. „Es gab einen Mittagstisch für die umliegenden Firmen und einen Stammtisch“, erinnert sich eine Frau, die im Bahnhöfle mehr oder weniger aufgewachsen ist. Über die Jahre hinweg, bedingt durch neue Eigentümer und mehrere Pächterwechsel, habe sich die Wirtschaft dann immer mehr zu einem Hotel samt Restaurant entwickelt. Nikola Cepek hat das Bahnhöfle schließlich umbenannt. Er hat ihm den Namen Maestral gegeben. „So heißt ein warmer Wind in Kroatien“, erklärt er. Dies hat für ihn Sinn ergeben, schließlich hat er seinem Restaurant auch kroatisches Essen angeboten.

Die Bürgergemeinschaft Oberaichen (BGO) würde es derweil begrüßen, wenn es am S-Bahnhof weiterhin eine Gaststätte gäbe, denn mit Gastronomie sei der Ort bisher nicht wirklich reich gesegnet. BGO-Chef Kurt Alber könnte sich dort auch ein Zentrum für die Bewohner des Ortes vorstellen; ein Treffpunkt mit netter Wirtschaft, einem Stammtisch, einem schönen Biergarten und vielleicht sogar mit etwas Kleinkunst- und Kulturprogramm.