Dreht Russland Deutschland den Gashahn zu? Ist die Versorgung mit Gas gesichert oder wird es bald Lieferengpässe geben? Müssen die Menschen sogar frieren? Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um Deutschlands Gasversorgung.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Bei Energieimporten hängt Deutschland am russischen Tropf. Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kommen Zweidrittel des importierten Erdgases aus Russland. Beim Öl seien es 35 Prozent und bei der Kohle 50 Prozent.

 

Woher kommt Deutschlands Gas?

In das deutsche Gasnetz wurden 2020 laut Bundesnetzagentur 1790,6 Terawattstunden (TWh) Gas eingespeist. Der größte Teil davon – 1674,2 TWh (93,5 Prozent) – wurde importiert.

Info: Eine Terrawattstunde entspricht einer Milliarde Kilowattstunden; Kilowattstunde ist die gebräuchliche Einheit für den Jahresverbrauch von einzelnen Geräten oder für den Verbrauch eines Haushalts. Für ein Verbrauch einer Großstadt wird der Gasverbrauch in Gigawattstunden (entspricht einer Million Kilowattstunden) und für ein ganzes Land in Terawattstunden berechnet.

Russland: Das importierte Gas kommt größtenteils aus Russland: 2020, dem Jahr aus dem die aktuellsten Zahlen der Bundesnetzagentur stammen, waren es 1121,2 TWh – das sind 67 Prozent des eingeführten Erdgases.

Norwegen: Der zweitgrößte Erdgaslieferant ist Norwegen. Von dort kamen 349,1 TWh – knapp 21 Prozent des importierten Gases in die Bundesrepublik.

Niederlande/Großbritannien: Auf dem dritten Platz stehen die Niederlande mit einer Menge von 194,3 TWh – das sind knapp 12 Prozent des Importes. In dem aus den Niederlanden importierten Gas ist auch das Erdgas aus Großbritannien enthalten.

Die restliche Importmenge – 9,6 TWh, etwa 0,6 Prozent – verteilt sich auf andere Länder wie Belgien, Dänemark und Österreich.

Inland: 50,3 TWh Erdgas wurden in Deutschland gefördert, wobei diese Menge aufgrund der schwindenden Lagerstätten permanent sinkt.

Biogas: 10,1 TWh sind hierzulande erzeugtes Biogas. Die Menge des eingespeisten Biogases steigt zwar, spielt aber im Vergleich zur benötigten Gesamtmenge nur eine untergeordnete Rolle.

Wird Russland den Gashahn zudrehen?

Die Bundesregierung habe bislang keine Hinweise auf Drosselungen russischer Energielieferungen, betont Habeck.

Erst zwei Tage vor dem Einmarsch in die Ukraine sicherte der russische Präsident Wladimir Putin zu, trotz der schweren Krise mit dem Westen die Gaslieferungen ins Ausland nicht zu stoppen. „Russland beabsichtigt, die ununterbrochenen Lieferungen dieses Rohstoffs, einschließlich des Flüssiggases, an die Weltmärkte fortzusetzen“, schrieb Putin an Teilnehmer eines Forums erdgasexportierender Länder.

Moskau hat in der Vergangenheit stets betont, dass auch im Kalten Krieg in der Konfrontation zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik das Gas immer geflossen sei.

Könnten andere Staaten aushelfen?

Auf EU-Ebene gibt es einen Solidaritätsmechanismus, unter dem EU-Länder im Ernstfall Gasreserven teilen sollen, um vor allem Haushalte vor Knappheit zu schützen. Deutschland hat dafür mit Dänemark und Österreich bilaterale Abkommen unterzeichnet.

Allerdings sind auch dort die Speicherkapazitäten niedrig: In Österreich liegen sie bei 18 Prozent, in Dänemark sind die Speicher zwar halbvoll, aber vergleichsweise klein.

Die zwei deutschen Nachbarländer wären laut einer Analyse der Denkfabrik Bruegel auch von russischen Gaskürzungen betroffen – wie viel sie liefern könnten, ist also unklar.

Ist Flüssiggas eine Alternative?

Gleichzeitig bemüht sich die EU-Kommission um zusätzliche Lieferungen von Gas und Flüssiggas (LNG) in die EU. Dafür laufen nach offiziellen Angaben unter anderem Gespräche mit Aserbaidschan, Ägypten, Nigeria und Norwegen.

Der norwegische Gaslieferant Equinor teilte allerdings mit, er produziere bereits bei maximaler Kapazität und es gebe nur begrenzte Möglichkeiten, die Produktion kurzfristig zu erhöhen.

Die japanische Regierung hat zugesichert, überschüssige Flüssiggaslieferungen, die für Japan bestimmt waren, nach Europa umzuleiten. Der Golfstaat Katar will ebenfalls überschüssige Lieferungen abgeben.

Wie ist die Strategie der Bundesregierung?

Laut Bundesregierung soll die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie russischem Gas verringert und die Energieversorgung auf eine breitere Basis gestellt werden. So könnte es dauerhaft mehr Importe von LNG geben.

Grünen-Minister Habeck will außerdem den schon seit langem geplanten Bau eines eigenen LNG-Terminals in Deutschland vorantreiben.

Viele Fragen sind aber offen – genau so wie beim Bau neuer Gaskraftwerke in Deutschland. Diese sind aus Sicht der Koalition nötig, weil Ende 2022 die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen und der Ausstieg aus der Kohleverstromung auf 2030 vorgezogen werden soll.

Im Zentrum aber steht mittel- und langfristig ein deutlich schnellerer Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne in Deutschland, das soll vor allem auch die Preise dämpfen.

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