Der Präsident des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten, warnt davor, dass das Heizungsgesetz „gleich doppelt“ zu einer Kostenfalle für Mieter werden könne – und fordert, dass Mieter Einfluss nehmen können.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Auch für den Präsidenten des Deutschen Mieterbunds gibt es in diesen Tagen vor allem ein Thema: Findet die Ampelkoalition einen Kompromiss beim Gebäudeenergiegesetz? Und wie fällt dieser aus? Denn das Gesetz wird zweifelsohne Auswirkungen auf die 19,9 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland haben. Lukas Siebenkotten warnt vor möglichen negativen sozialen Auswirkungen des Gesetzes.

 

Herr Siebenkotten, die Ampel feilt an den Details für das Heizungsgesetz. Welche Gefahren sehen Sie für Mieter?

Mieter sind von diesem Gesetz gleich doppelt bedroht. Erstens weil in aller Regel die Modernisierungskosten auf die Mieter umgelegt werden und damit die Grundmiete steigt. Und zweitens können auch die Heizkosten für Mieter steigen, je nachdem für welchen Heizungstyp sich der Vermieter entscheidet.

Wie könnte man dieses Risiko reduzieren?

Die Vermieter müssten Fördermittel für den Heizungseinbau in Anspruch nehmen und dürften diese Zuschüsse dann nicht auf die Mieter umlegen. Zusätzlich sollte man die Modernisierungsumlage halbieren, von derzeit acht auf vier Prozent pro Jahr und die Mieterhöhung bei 1,50 Euro pro Quadratmeter kappen.

Bei der Frage, für welche Heizung sich der Vermieter entscheidet, ist es schwieriger. Die meisten sind ja auf eine gute Beziehung zu ihren Mietern aus und werden sich dafür entscheiden, was wirtschaftlich sinnvoll ist. Aber sollte der Vermieter auf einer Wasserstoffheizung bestehen, dann würde das nach gegenwärtigem Stand extrem teuer. Mieter brauchen ein Mitspracherecht, um solche Eskapaden zu verhindern. Hier erwarten wir besonders von SPD und Grünen, dass sie sich bei solchen sozialen Belangen in den Verhandlungen durchsetzen.

Beim Blick auf den Wohnungsmarkt folgt eine Horrornachricht auf die nächste. Gibt es irgendeine Entwicklung, die Ihnen Hoffnung macht?

So richtig viel, das Hoffnung macht, gibt es nicht. Die Eckdaten sind schwierig: Der Bedarf ist hoch, es wird zu wenig gebaut, die Zahl der Sozialwohnungen sinkt Jahr für Jahr, und bei den dringend benötigten mietrechtlichen Reformen passiert absolut gar nichts.

Gibt es wirklich gar nichts?

Ein Punkt ist die „Neue Wohngemeinnützigkeit“, ein Projekt aus dem Koalitionsvertrag, zu dem in der kommenden Woche Details präsentiert werden sollen. Dabei geht es darum, günstige Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen zu fördern. Das Besondere dabei: Anders als Sozialwohnungen fallen sie nicht nach 30 Jahren aus der Preisbindung, sondern können für immer günstig angeboten werden. Ich hoffe, dass das Finanzministerium hierfür Fördermittel bereitstellt. Aber auch das ist nur ein zartes Pflänzchen.

Die Bundesregierung verfehlt ihr Ziel von 400 000 Wohnungen pro Jahr, will aber auch nicht mehr investieren. Welchen Schluss ziehen Sie daraus?

Ich habe den Eindruck, dass sich die Politik allgemein – im Bund und in den Ländern – mit der Misere am Wohnungsmarkt abgefunden hat. Und das können wir nicht durchgehen lassen. Ich finde, die Wohnungsfrage hat eine ähnliche Bedeutung wie die Verteidigungsfrage, deswegen fände ich ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro sinnvoll. Man kann auch über einen Wohnungsbau-Soli nachdenken. Mit dem könnte man bezahlbaren Wohnraum finanzieren.

Der Wohnungsbau ist eine Sache, doch im Koalitionsvertrag sind auch Projekte zum Mieterschutz verabredet. Welche Note geben Sie der Ampel bei dem Thema?

Was soll ich da benoten? Sie hat ja noch nichts umgesetzt.

Wenn man nichts abgegeben hat, war das zu meiner Schulzeit eine Sechs.

Dann ist das so. Beim Thema Kappungsgrenze ist nichts passiert, ebenso wenig bei den Veränderungen am Mietspiegel und der Schonfristzahlung. Auch dass sich Justizminister Buschmann weigert, beim Thema Indexmietverträge etwas zu verändern, ist inakzeptabel. Das steht zwar nicht im Koalitionsvertrag, aber in Zeiten von hoher Inflation sorgen diese für hohe Preissprünge.

Ein Problem am Wohnungsmarkt ist, dass ältere Menschen nach Auszug der Kinder häufig auf viel Fläche wohnen, während junge Familien nicht ausreichend große Wohnungen finden. Haben wir einen Generationenkonflikt am Wohnungsmarkt?

Ich weiß nicht, ob es einen Konflikt gibt. Aber klar ist: Es gibt eine Ungerechtigkeit zwischen Jungen und Alten am Wohnungsmarkt. Meist sind es Frauen, die gegen Ende ihres Lebens viel Fläche zur Verfügung haben, weil die Kinder aus dem Haus sind und die Männer meist eher sterben. Eine kluge Lösung für dieses Problem hat aber bislang niemand gefunden, weil ein Umzug in eine kleinere Wohnung meist viel teurer wäre. Da fehlt der Anreiz auszuziehen. Derweil sind die jungen Familien die Gekniffenen.

Wenn die Entwicklung am Wohnungsmarkt so weitergeht, wird es normal sein, dass Kinder bis zum Jobeintritt mit Mitte oder Ende 20 bei den Eltern wohnen?

In manchen Städten finden Sie heute kaum ein WG-Zimmer unter 700 Euro. Ich glaube, es wird normal sein, dass Kinder sehr viel länger in der Wohnung ihrer Eltern wohnen werden.

Der Staat schafft es derzeit nicht, für Entspannung am Wohnungsmarkt zu sorgen. Unternehmen setzen hingegen immer häufiger auf Werkswohnungen, weil sie ohne diese keine Fachkräfte bekommen. Welche Chance liegt darin?

Man muss Privatfirmen dazu bewegen, dass sie Werkswohnungen bauen. Ich glaube nicht, dass man dafür riesige Förderprogramme aufsetzen muss. Sondern Unternehmen müssen zu dem Ergebnis kommen, dass das aus ihrer Sicht eine sinnvolle Investition ist. Es gibt schon einige Beispiele wie die Klinik in Tübingen oder die Stadtwerke München. Auch die Deutsche Bahn sollte hier aktiver werden. Sie verfügt über große Flächen, die aber nicht mehr für den Bahnverkehr gebraucht werden, sondern für den Wohnungsbau genutzt werden können.

Es gibt auch Regionen, die derzeit nicht so nachgefragt sind und in denen es viel Leerstand gibt. Was halten Sie von der Idee einer „Raus aufs Land“-Prämie?

Um den Umzug in bestimmte Regionen attraktiver zu machen, kann eine solche Prämie sinnvoll sein. Wichtiger wäre es aber, insbesondere ländliche Gebiete attraktiver zu machen. Da geht es etwa um schnelles Internet, den öffentlichen Nahverkehr oder die Versorgung mit Ärzten.

Experte für Kommunalverwaltung

Jurist
Lukas Siebenkotten, Jahrgang 1957, ist seit 2019 Präsident des Deutschen Mieterbunds. Nach Abitur und Jurastudium arbeitete er in der Kommunalverwaltung von Recklinghausen (NRW). Siebenkotten ist Mitglied der SPD und amtierte von 1995 bis 1999 als Bürgermeister der Stadt Willich nahe Düsseldorf.

Beratung
Der Deutsche Mieterbund (DMB) wurde im Jahr 1900 gegründet und vertritt die Interessen von Mietern in Deutschland. In über 300 lokalen Vereinen in ganz Deutschland bieten 1300 hauptamtliche und 2500 ehrenamtliche Mitarbeiter Beratungen rund um das Thema Miete an.

Mieterland
Deutschland ist laut Statistikbehörde Eurostat ein Mieterland. Laut Zahlen vom vergangenen Jahr leben mehr als die Hälfte der Menschen (53,3 Prozent) zur Miete – der höchste Wert in der Europäischen Union.