Es ist nicht wirklich ein Babyboom, aber die Zahl der Neugeborenen im Südwesten steigt weiter. Eigentlich eine gute Nachricht. Aber die Statistiker warnen bereits.

Stuttgart - Immer mehr - und doch nicht genug. In Baden-Württemberg haben noch nie so viele Menschen gelebt wie derzeit, die Zahl der Geburten klettert beständig seit zehn Jahren. Allerdings war die Bevölkerung zwischen Mannheim und dem Bodensee auch noch nie so alt und noch nie so sehr auf Zuwanderung von außen angewiesen, um auszugleichen und um keine gewaltigen Probleme zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. Das zeigt auch ein Blick auf die neuen Zahlen des Statistischen Landesamts, die am Montag in Stuttgart veröffentlicht wurden.

 

Wie viele Kinder sind im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg geboren worden?

Im Südwesten sind rund 108 900 Jungen und Mädchen lebend geboren worden, das sind so viele wie in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr.

Wie erklären sich die Experten diesen Trend?

Das Landesamt sieht einen ganzen Strauß von möglichen Gründen für die eigentlich ja recht erfreulichen Zahlen. Die enorm gestiegene Zuwanderung habe zum Beispiel einen Einfluss, denn dadurch habe auch die Zahl der Frauen zugenommen, die Kinder gebären könnten, sagen die Experten. „Hinzu kommt, dass nun Kinder der geburtenstarken Jahrgänge Anfang der 1960er-Jahre, die sogenannten Babyboomer, selbst wieder Kinder bekommen“, teilte das Landesamt weiter mit.

Baden-Württemberg steuert also nicht auf Ein-Kind-Familien zu?

Jein. Im Durchschnitt gebaren Frauen im vergangenen Jahr 1,58 Kinder, das war die zweithöchste Geburtenrate seit 1973. Nur 2016 lag sie leicht höher (1,59).

Wo waren die Zahlen denn besonders hoch und wo eher niedrig?

Im Stadtkreis Pforzheim lag die Rate mit 1,84 Kindern je Frau am höchsten, gefolgt vom Alb-Donau-Kreis und dem Landkreis Tuttlingen (jeweils 1,80). Dagegen lagen die Stadtkreise Heidelberg (1,17), Stuttgart (1,29) und Karlsruhe (1,33) am Ende der Skala.

Gibt es eine Erklärung dafür?

Nicht nur eine. Es gebe ein auffälliges „Land-Stadt-Gefälle“. Auf dem Land liegt die Zahl der Kinder je Frau laut Landesamt also über dem Niveau der Städte. Besonders niedrig sei die Geburtenrate zudem in Hochschulstandorten wie Heidelberg. Dort leben viele jüngere Frauen, bei denen Studium und der Einstieg in den ersten Job zunächst wichtiger sind als die Familienplanung. „Einen Einfluss auf die Höhe der Geburtenrate dürfte auch der regional unterschiedliche Anteil der ausländischen Frauen besitzen“, heißt es bei den Statistikern. Nach den landesweiten Zahlen brachten ausländische Frauen 2018 in Baden-Württemberg im Schnitt 1,93 Kinder zur Welt, deutsche Frauen dagegen lediglich 1,49.

Also alles prima, wir werden immer mehr?

Nicht wirklich. Denn wir werden zwar mehr, aber auch die steigende Geburtenrate reicht wegen der hohen Zahl sterbender Menschen nicht aus, um den Bestand der Bevölkerung zu erhalten. Hierzu wäre eine Geburtenrate von 2,1 Kindern je Frau notwendig. Zuletzt wurde dieser Wert in Baden-Württemberg im Jahr 1970 erreicht.

Wie viele Menschen leben denn derzeit in Baden-Württemberg?

Ende 2018 zählte der Südwesten fast 11,09 Millionen Einwohner, ein Rekordwert, Tendenz weiter steigend. Aber der Zuwachs resultiert fast ausschließlich aus Zuwanderung von außen.

Schauen wir nach vorne, wie sieht es da aus?

Nun, eine Prognose bei der Geburtenrate ist ziemliche Kaffeesatzleserei. Dennoch wagt das Statistische Landesamt den Versuch beim Blick auf die Bevölkerung im Bundesland. Geschätzt wird derzeit, dass die Zahl der Menschen in Baden-Württemberg von derzeit fast 11,09 Millionen Einwohner (31.12.2018) auf rund 11,37 Millionen Menschen im Jahr 2035 steigt. Überdurchschnittlich zu nimmt die Zahl der über 80-Jährigen von 296 000 auf 456 000 im selben Zeitraum.