Drei Monate lang muss eine Familie in Bad Boll auf den Sperrmüll warten, weil es jedes Frühjahr zu einem Abfuhrstau kommt – und das mit steigender Tendenz.

Region: Corinna Meinke (com)

Bad Boll - Das einstmals gute Stück soll jetzt endlich raus: Die Rede ist von dem ramponierten Familiensofa, das die Garage blockiert, weil die Sperrmüllabfuhr schon seit Wochen auf sich warten lässt. „Das ist nicht gerade bürgernah“, beklagt Manfred Zapletal aus Bad Boll. Erst am 5. Juni soll das Sofa endlich geholt werden. Schon allein auf die Termininformation hat der Familienvater fünf Wochen lang warten müssen. Das Abfallwirtschaftsamt erklärt die insgesamt dreimonatige Wartezeit bis zur Sperrmüllabfuhr mit dem alljährlichen Antragsstau.

 

Ein Problem mit steigender Tendenz

Die Belegschaft stünde am Abgrund des Wahnsinns, da es ein nie dagewesenes Aufkommen an Sperrmüllkarten gebe, hatte der Bad Boller Bürger zu hören bekommen, als er sich unlängst bei der Göppinger Entsorgung und Transport Gesellschaft (ETG) nach dem Grund für die ungewöhnlich lange Wartezeit erkundigte.

„Das Problem haben wir seit Jahren, allerdings mit steigender Tendenz. Rund zwei Wochen bevor die alten Sperrmüllkarten ihre Gültigkeit verlieren, melden viele Bürger Sperrmüll an“, berichtet Dirk Hausmann. Der Leiter des kreiseigenen Abfallwirtschaftsamtes (AWB), in dessen Auftrag die ETG agiert, hat 8345 Sperrmüllkarten im Februar gezählt, während sein Amt in durchschnittlichen Monaten lediglich bis zu 2500 solcher Karten erreichen. So entstehe ein Entsorgungsstau, der nur sukzessive abgebaut werden könne. Auch eine Verlegung des Termins in den Juni, wie vor einigen Jahren probiert, habe lediglich den Stau in den Sommer verschoben.

Im Frühjahr lösen viele Kunden noch schnell die alten Karten ein

So gebe es halt weiterhin einen Rattenschwanz bei der Sperrmüllabfuhr, erklärt Hausmann. Wer beispielsweise im März mit einer neuen Karte die Abfuhr bestelle, werde bei der Terminvergabe hinten angehängt. Zapletals Vermutung, der Entsorger könnte vielleicht ein Interesse an einer hohen Zahl von Touren haben, bestätigt Hausmann nicht, denn der Aufwand werde der ETG pro Karte vergütet.

Mit immerhin drei bis vier Fahrzeugen sammle die ETG, bedarfsweise auch samstags, den Sperrmüll ein. Trotzdem käme es im Frühjahr zu wochenlangen Wartezeiten. Hausmann vermutet, dass viele Bürger halt erst im Frühjahr feststellten, dass sie ihre alte Karte noch nicht eingelöst haben, wenn sie den Gebührenbescheid samt der neuen Sperrmüllkarte zugeschickt bekommen – und die lösten dann noch die Vorjahreskarte ein.

Seit 2016 können die Bürger keine Mengenangaben mehr machen

So hat es auch Manfred Zapletal erlebt: Vor wenigen Tagen fuhr der Sperrmüllwagen durch sein Wohngebiet und lud all die kleinen Sperrmüllhaufen ein, die am Straßenrand lagerten. „Das waren keine großen Mengen, sondern eher ein paar Reste“, hat der Bad Boller beobachtet. Und er wundert sich, dass der Kreis seit 2016 dazu übergegangen ist, keine Angaben mehr zu Art und Menge bei den Bürgern abzufragen. In seinem Fall wäre sonst klar gewesen, dass auf der aktuellen Tour „unser Sofa noch bequem in den Laster reingepasst hätte“.

Der Grafiker ist nicht einverstanden mit dem Prozedere des AWB, bei dem die Kunden, die neue Karten verschicken, besonders lange warten müssen. Seine Familie habe mit dem Verschicken der neuen Karte von 2019 doch einen dringenden aktuellen Bedarf angezeigt. Denn das neue Sofa sei längst geliefert und im Wohnzimmer aufgebaut. Weil sich die Sperrmüllabfuhr so stark verzögere, habe er das Vorgängermodell erst in den Schuppen und von dort in die Garage bugsieren müssen – während das Auto seither draußen stehe.

Die Kreisräte sollen entscheiden, ob die Gebühr für selbst angekarrten Sperrmüll entfällt

„Ich sehe nicht ein, dass man alle drei oder vier Jahre seine Möbel rausschmeißt und etwas Neues kauft“, erklärt Zapletal die Wohnphilosophie der Familie, die gerne langlebige Möbel anschafft und sich an einem modernen massiven Esstisch versammelt sowie ihr antikes, abgelaugtes, schmuckes Buffet in Ehren hält. Oft fände sich auch noch ein Abnehmer für Möbel über den digitalen Kleinanzeigenmarkt, wenn beispielsweise in den Kinderzimmern Neues gebraucht würde.

Alles Ansichten, die der Chef des Abfallwirtschaftsamtes eigentlich teilen müsste, denn es ist sein erklärtes Ziel, die Abfallmenge im Kreis und damit auch die Anlieferungsmenge für das Müllheizkraftwerk zu senken. Denn von den 6800 Tonnen Sperrmüll, die 2018 eingesammelt wurden, sei der größte Teil in Göppingen verbrannt worden. Versuchsweise seien 1000 Tonnen maschinell nachsortiert worden. Davon habe man 60 Prozent Wertstoffanteil aussortieren können. Immerhin will Hausmann den Kreisräten im Sommer vorschlagen, künftig keine Gebühren mehr von den Bürgern zu verlangen, die Sperrmüll zu den Wertstoffzentren bringen. Diesen Aufwand könne man ruhig belohnen. Ob der Vorschlag angenommen werde, sei aber genauso ungewiss wie die zeitliche Umsetzung, gut möglich dass dies erst mit dem neuen Abfallkonzept von 2021 an realisiert werde.