Matthias Nagel, Leiter der Justizvollzugsanstalt, hat im Bezirksbeirat berichtet und sich der Kritik von Anwohnern gestellt. Sie ärgern sich über lautes Geschrei zwischen Häftlingen und ungebetenen Besuchern.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Stammheim - Kontaktaufnahme verboten! Wer über die Gefängnismauern hinweg mit Häftlingen kommuniziert, sich durch Zeichen oder Worte mit ihnen verständigt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. So lautet die Theorie. Die Praxis ist eine andere. Davon können Anwohner der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Stammheim ein Lied singen. Vom regelmäßigen abendlichen „Geschrei“ aus der JVA berichtete jüngst ein Anwohner im Bezirksbeirat: „ Es fängt in der Regel so ab sieben Uhr abends an und geht dann in der Regel bis um zehn, Viertel nach zehn“, berichtete der Mann. „Und es ist in einer Lautstärke, dass ich jedes Wort verstehen würde, wenn ich die Sprache sprechen würde.“ Es handle sich nicht nur um Gespräche von fünf oder zehn Minuten, „das geht über Stunden, sodass wir, die wir direkt am Parkplatz wohnen, unsere Fenster schließen müssen“, beklagte sich der Stammheimer. „Es ist eine unerträgliche Hintergrundbeschallung, die furchtbar nervtötend ist.“ Seiner Beobachtung nach werde von unten zu den Fenstern hoch gebrüllt, dann von den Fenstern runter gebrüllt und so weiter. „Ich wohne seit sechs Jahren hier und habe das seit sechs Jahren vor der Haustüre – und es wird von Tag zu Tag schlimmer.“

 

Rufer stören die öffentliche Ordnung

Der JVA-Leiter Matthias Nagel zeigte Verständnis, machte aber zugleich deutlich, dass ihm die Hände weitgehend gebunden seien, was die Rufe von ungebetenen Besuchern von außerhalb betrifft. „Zum Verständnis: Ich habe außerhalb der Mauern keine Befugnisse, ich muss im Prinzip die Polizei holen“, erklärte Nagel. Es spiele keine Rolle, ob dieser Bereich ein Sicherheitsbereich sei oder nicht. „Ich kann nur innerhalb der Mauern tätig werden, außerhalb der Anstaltsmauern darf ich nicht agieren.“ Wohl könne er die „Quatscherei vom Hof zum anderen Stockwerk unterbinden, sofern das geht“. Die Rufer von Außen jedoch störten die öffentliche Ordnung und müssten von der Polizei belangt werden. „Wir rufen die Polizei auch regelmäßig an, wenn jemand unerlaubt Informationen austauschen will – die Polizei kommt zwar oft, aber sie kommt nicht jedes Mal, schließlich hat sie noch andere Aufgaben zu erfüllen.“

Darüber hinaus seien auch die Störenfriede mit allen Wassern gewaschen: „Die Jungs sind ja nicht doof – dann stehen ein paar Schmiere und wenn die Polizei kommt, dann sind die verschwunden“, sagte Nagel. Erschwerend hinzu komme, dass gegen 20 Uhr die Tagschicht in der JVA ende, sodass dann generell weniger Personal in der Einrichtung sei und damit das Risiko sinke, erwischt zu werden. Ebenso verhalte es sich an Wochenenden.

Lärm hat mehrere Ursachen

Bezirksvorsteherin Susanne Korge wies in der Sitzung darauf hin, dass nicht nur die lautstarke Kommunikation über die Mauern hinweg ein Problem darstelle. Auch die vielen Baustellen in und um die JVA sowie der dazugehörige Verkehr trügen einen erheblichen Teil zum Unmut der Anwohner bei. „Man muss dazusagen, dass es eine Mischung aus ganz vielen Problemen ist, die zu der Situation beiträgt“, so Korge. Und für viele dieser Probleme könne auch der Anstaltsleiter nichts. Nichtsdestotrotz: „Ich habe heute wieder zwei verzweifelte Anrufe bekommen, weil der Parkplatz gerichtet wird“, berichtete die Bezirksvorsteherin. Die Lärmquellen seien vielfältig: angefangen von der B 27a, über den Containerbahnhof, das Gewerbe- und Industriegebiet im angrenzenden Kornwestheim bis hin zu Bauarbeiten, am Parkplatz direkt an der JVA – und eben die Rufenden.

„Vielleicht wäre es sinnvoll, dass man mit den unzufriedenen Bürgern mal das Gespräch sucht“, schlug SPD-Bezirksbeirat Peter Dietz-Vowinkel vor. „Es gibt auch konkrete Beschwerden, zum Beispiel über Lautsprecherdurchsagen wie am Bahnhof.“ Der JVA-Leiter begrüßte den Vorschlag und stellte ein Treffen in Aussicht, das über das Bezirksamt organisiert werden könnte: „Wir können gern ein Treffen vereinbaren und die Betroffenen können sich die Situation gern anschauen und wir sprechen darüber“, bot Nagel an. „Aber ich befürchte, es wird nur um ein Paket von vielleicht möglichen Einzelmaßnahmen gehen.“ Allerdings wolle er die Dinge, die er beeinflussen könne, „auch gern umsetzen“.