Der Fall Kurnaz ist ein Problem für den neuen Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, aber auch für Rot-Grün. Kurnaz saß zu Unrecht jahrelang im Foltergefängnis Guantánamo.

Berlin - Hans-Georg Maaßen soll Anfang August neuer Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz werden. Ein ruhiger Start ins schwere Amt wird das für den Spitzenbeamten von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nicht. Bei Rot-Grün und auch in der FDP regt sich Unmut. Aber so richtig traut sich keiner, offen gegen Maaßen vorzugehen. Das hat mit der Rolle zu tun, die Maaßen im Fall des in Bremen aufgewachsenen türkischen Staatsbürgers Murat Kurnaz spielt. Kurnaz saß jahrelang zu Unrecht im US-Foltergefängnis Guantánamo fest. Rot-Grün hintertrieb dessen Rückkehr nach Deutschland, obwohl Kurnaz nichts vorzuwerfen war. Maaßen lieferte damals als Referatsleiter von Innenminister Otto Schily (SPD) eine Begründung, zu der er noch heute steht: wenn ein in Deutschland gemeldeter Ausländer sich länger als sechs Monate im Ausland aufhalte, erlösche die Aufenthaltsgenehmigung, ganz egal wie sich die Abwesenheit begründen lasse.

 

„Spiegel-Online“ berichtete am Freitag von einem Gespräch mit Maaßen, in dem dieser seine Haltung verteidigt. Seine rechtliche Bewertung sei wiederholt bestätigt worden, soll Maaßen demnach gesagt haben. Wenn ein Deutscher in Afghanistan festsitze und sein Pass in dieser Zeit ablaufe, habe dieser ähnliche Probleme. Maaßen wird mit den Worten zitiert: „Als Jurist sage ich: Ihr Reisepass ist nicht mehr gültig. Pech gehabt.“ Die Frage nach Gründen stelle sich nicht.

Maaßen hat sich wegen solcher Positionen den wenig schmeichelhaften Ruf eines kaltherzigen Technokraten eingehandelt. Jüngst wurde ihm wegen des Falls Kurnaz von der FU Berlin eine Honorarprofessur verwehrt. Abgesehen davon, ist seine Position aber auch juristisch zweifelhaft. Das Bremer Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil 2005 festgestellt, dass Kurnaz wegen seines gewiss nicht freiwilligen Aufenthalts in Guantánamo keinen Nachteil hätte erleiden dürfen.

Maaßen kennt sich im Ausländerrecht aus

Maaßen gilt gleichwohl als brillanter Jurist, besonders bewandert im Ausländerrecht. Seine harte Haltung in Zuwanderungsfragen und seine bedingungslose Loyalität haben ihn zu einem der wenigen Günstlinge des „roten Sheriffs“ Schily aufsteigen lassen. Selbst in der Koalition finden sich deshalb Abgeordnete, die fürchten, Minister Friedrich könnte mit Maaßens Berufung einen unversöhnlichen Kurs in der Auseinandersetzung mit Islamisten und Salafisten durchsetzen, der die Lage womöglich eskalieren lasse.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Michael Hartmann, hat Maaßen zwar als gute Wahl bezeichnet, aber diese Haltung wird in der SPD nicht von allen geteilt und ist auch damit zu begründen, dass Maaßen im Fall Kurnaz den Willen nicht nur von Schily, sondern auch von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier vollstreckte. Steinmeier koordinierte seinerzeit als Kanzleramtschef die Geheimdienste.

Die Grünen haben zwar nach Maaßens Berufung mahnend den Finger gehoben, mussten sich aber von Friedrich postwendend sagen lassen, dass ihr damaliger Außenminister Joschka Fischer ja in der Lage gewesen wäre, für Kurnaz einzutreten. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, will deshalb auch seine Kritik nicht am Umgang mit Kurnaz festmachen, sondern an Maaßens Qualifikation: „Die Personalie Maaßen bedeutet, dass Friedrich das Amt im Grunde selber führt“, beklagt Wieland. „Maaßen funktioniert, Impulse für Reformen sind aber nicht zu erwarten.“

Die FDP schweigt, was auch einiges aussagt. Im BND-Untersuchungsausschuss, der auch den Kurnaz-Fall abhandelte, präsentierten sich die Liberalen als Hüter der Menschenrechte und gingen mit Maaßen hart ins Gericht. Der damalige FDP-Obmann Max Stadler, jetzt Staatssekretär im Justizministerium, schrieb: „Es ist schäbig, wenn die Verschleppung von Menschen dazu genutzt wird, ihnen ihre Rechtsposition zu nehmen.“ Maaßens Rechtsposition nannte Stadler damals „absurd“. Heute will sich Friedrichs Koalitionspartner Stadler zur Personalie Maaßen lieber nicht äußern.